Noch einmal: New Orleans
Auch Jolie Holland hat nun knorrige Songs über Menschen und Schicksale im Gefolge der Hurrikan- Katastrophe geschrieben.
Auf dem Cover des neuen AlbumsS von Jolie Holland sitzt sie mit ihrem besten Freund, einem Mann namens Bobby Dangerously. Gefährlich sieht er aus, als käme er von einem Kostümball, doch die Wildwest-Klamotte ist ein Statement. Sie stammt nämlich aus einem Einkaufszentrum, das von Hurricane Katrina verwüstet und überflutet wurde. Dangerously hat dort als Freiwilliger geholfen und die stinkende Kleidung aus dem giftigen Wasser gefischt. Wie Holland ihn anguckt, das ist ein Symbol für das Album. „Es geht weniger um meine eigenen Geschichten und dafür mehr um die meiner Freunde. Viele von ihnen sind in irgendeiner Weise von Katrina betroffen — weil sie dort gelebt oder geholfen haben. Ich schätze, viele Menschen haben sich zu dem geäußert, was in New Orleans passiert ist. Also, das hier ist mein Beitrag.“
Die wichtigste Botschaft von „The Living And The Dead“ ist aber eine musikalische. Jolie Holland setzt auf handfestere Klänge als jene, die man bislang von ihr kannte. Nicht durchgängig und nicht radikal, aber doch deutlich treten der alte amerikanische Jazz und der ländliche Folk in den Hintergrund und machen Platz für knorrige Americana und weiße Rhythm & Blues-Riffs. Holland sagt, es sei Rock. „Ich habe Rock bislang misstraut, weil ich nur Rockmusiker kennen gelernt habe, die dämlich waren. Aber für diese Platte brauchte ich welche — ich hatte so einen Sound im Ohr wie auf Tom Waits‚ ,Rain Dogs‘. Es ging nicht so sehr um das Endprodukt, sondern um den Schreibprozess, um eine gewisse Ernsthaftigkeit.“
Für die Produktion des Albums hat sich Holland entgegen ihrer Gewohnheit Hilfe geholt. Nachdem eine Session mit Los Lobos ins Wasser gefallen war und erste Aufnahmen mit M. Ward keine vollständig zufrieden stellenden Ergebnisse gebracht hatten, fiel die Wahl auf Shazhad Ismaily. Der New Norker hat zum Beispiel für Bonnie „Prince“ Billy gearbeitet und ist ein eigenwilliger Alleskönner mit viel intuitivem Vermögen. Er passt gut zu Holland, die ihn gleich als Seelenverwandten erkannte und im Nachhinein von ihm spricht wie von einem Heiligen. Das vollmundige Lob ist durchaus sympathisch – Holland wirkt distanziert, aber sie spricht gut von ihren Freunden.
„Ich denke sehr an den Produktionsprozess, wenn die Lieder entstehen“, erläutert Holland, „beim letzten Album habe ich so geschrieben, dass viel Platz für die anderen Musiker blieb. Diesmal habe ich Lieder geschrieben, die man nicht allein produzieren kann.“
Bei der Umsetzung des Albums halfen auch Marc Ribot und Trommlerin Rachel Blumberg. Das Ergebnis packt mehr zu, doch das Mystische bleibt ein Merkmal. Zum Beispiel bei dem Traditional „Love Henry“, das hier wie ein field recording klingt. „Shazhad hatte diese hundert Jahre alte Gitarre für mich ausgeliehen“, schwärmt Holland, „sie stammt von dem Typen, der Django Reinhardts Gitarren gebaut hat. Da habe ich das älteste Lied gesungen, das mit eingefallen ist.“