Der lange Weg heim
Als Diplomatentochter war die US-Songwriterin Kathleen Edwards ständig unterwegs. Daher sucht sie noch immer nach einem Zuhause - in der Musik
Jetzt bloß schnell eine unverfängliche Frage. Denn die Frau da gegenüber ist in Gefühlen verfangen. Feucht -— zu zeucht – schimmern die grünen Augen von Kathleen Edwards in der Berliner Mittagsstunde, als die rhetorisch sonst so versierte Kanadierin fast tonlos nur noch „difficult“, „unresolved“ und „notgoingvery well“ stammeln kann.
Eine richtige Frage zum falschen Zeitpunkt brachte die 30-jährige Songschreiberin aus Ottawa aus der Fassung. Wie schwer es denn gewesen sei, dem Ehemann zu sagen, dass er auf dem neuen Album „Asking For Flowers“ noch Gitarre, aber nicht mehr die erste Geige spiele. Rein musikalisch betrachtet. Aber genau das geht ja eben nicht. Colin Cripps (Ex-Junkhouse) hatte ihre Songs für das Edwards-Debüt „Failer“ (2003) auf den richtigen Weg gebracht und dabei gleich noch ihr Herz gewonnen. Doch schon beim Nachfolger „Back, To Me“ saß nach der Cripps-Produktion in Toronto der Mann hinterm Mischpult, dem Edwards nun gern alles in die Hände gelegt hat (rein musikalisch betrachtet). Denn Jim Scott, dieser so angenehm unaufgeregte Studiomann aus Los Angeles, saß als Tontechniker ja auch vor Rick Rubin, als dieser Tom Petty 1994 zu ihrem Lieblingsalbum „Wildflowers“ dirigierte.
Was die unverfängliche Frage aufwirft: Was findet eine 16-Jährige an einem Album, das die großen Fragen des Mannes in der Midlife-Crisis verhandelt? Edwards blättert in meinem “ Wildflowers“-Booklet, hin zu ihrem Lieblingssong. ,“To Find A Friend“ hab ich damals ständig gesungen. Am Anfang sagt diese Stimme: ,Take 4′. Es ist die Stimme von Jim Scott, was ich nicht wusste, bis ich ihn traf. Welche Ironie!“ Anschluss zu finden war für die Diplomatentocher von klein auf die größte Herausforderung. „Ich lebte wie ein Nomade und wollte doch immer nur ein Zuhause“, rekapituliert sie. Mit 13 ging sie für drei Jahre nach Korea. „Deine Hormone spielen verrückt, ein völlig fremdes Land, eine ganz andere Sprache. In Korea wurde Musik endgültig das Wichtigste in meinem Leben, ein ständiger Begleiter, quasi meine Identität, als Kanadierin in einem fremden Land.“
Zurück in Kanada, schlägt sie bald jenseits ihrer Eltern auf dem Land Wurzeln.
Doch als Edwards mit Anfang 20 und der selbst produzierten Debüt-EP „Building55“ auf eigene Faust im Pick-Up übers Land zieht und überall spielt, wo man sie lässt, greift sie schon nach dem Preis, den sie wird zahlen müssen. „Mir wurde klar: Alles, was ich wollte für mein Leben, stand komplett im Gegensatz zu meiner Leidenschaft, Musik zu spielen. An welchem Punkt akzeptiert man dann, andere Dinge nicht zu haben? ,Back To Me‘ ist eine Platte über meine Heimatstadt und die Leute, die so wichtig für mich waren – und plötzlich redete ich kaum noch mit ihnen.“
Der geografischen Bewegung folgend – von Kanada nach Kalifornien -, hat Edwards ihren Aktionsradius als Songschreiberin auf „Asking For Flowers“ abermals erweitert. Woran mal nicht Jim Scott Schuld ist, sondern mal wieder good ole Bob Dylan und seine „Chronicles“. „Das hat mich wieder inspiriert, einfach dem Songschreiben zu vertrauen. Ich dachte immer: Wenn es nicht gleich aus mir rausstürzt, dann soll die Idee wohl nicht funktionieren.“
Colin Cripps ist nicht mit nach Europa gereist und verpasst folglich auch das erste Deutschland-Konzert seiner (Noch) Gattin. Prompt verzichtet die zur Berliner Mitternachtsstunde auf „Shure As Shit“, diese große Liebeserklärung, die ganz leise ganz stark sein will. „If you look at other girls working out in the nighttime, I don’t mind but I don’t want to know it“, heißt es da.
Lieber kramt sie in der Zugabe noch mal diese „Copied Keys“ aus, die damals in Toronto nur die Tür zu einem Leben aufschlossen, in dem sie immer fremd blieb. Kathleen Edwards ist wieder auf der Suche nach einem Zuhause.