Mucken und Melken
Verfilmungen lustiger Bücher sind selten lustig. Christian Görlitz' Adaption von Heinz Strunks „Fleisch ist mein Gemüse" könnte jedoch eine Ausnahme sein: Der Autor ist zufrieden und wirkt sogar mit - als Jägermeister-Hirsch.
Ist dieser Mann lustig? Ehrlich gesagt: Heinz Strunk sieht nicht so aus. Etwas steif und in einem wegen der Kälte hochgeschlossenen Gehrock sitzt der Autor von „Fleisch ist mein Gemüse“ mit dem Rücken zur Wand in einem Hamburger Cafe. Die Haare tragt er im Stile eines mit allen Wassern gewaschenen Vorstandsvorsitzenden — silbergrau, soldatisch kurz, aber: dezent gegelt. Die dunkelblau-violett getönte Brille, aus der er mich abschätzend, aber nicht unfreundlich ansieht, verleiht ihm ein dezentes Discobesitzer-Flair. Die Inszenierung ist perfekt, denn man hatte natürlich einen typischen Bohemien erwartet: einen Sankt-Paulianer oder Schanzenviertelbewohner; leicht nachlässig gekleidet, lässig, ironisch und auf hibbelige Weise durchgeknallt. Und jetzt sitzt da Mathias Halfpape, dessen Komik wahrhaftig und mitfühlend ist, und den seit über zehn Jahren alle nur Heinz Strunk nennen: „Nur die ganz alten Freunde tun das nicht. Die kann ich ja schlecht auffordern, mich mit Heinz anzureden, das wäre mir zu albern“, sagt er – ohne zu lächeln.
Da wir keine ganz alten Freunde sind, bleiben wir bei Heinz Strunk. Seit 16 Jahren wohnt der 45-Jährige bereits im hanseatisch feinen Stadtteil Winterhude in der Nähe des Stadtparks, wo er gerne ausgiebig joggt. Man kann mutmaßen, dass der Umzug dorthin auch Teil einer Neuorientierung war, denn Strunk feierte damals seinen 30. Geburtstag. Und aus dem – nach eigenen Worten zu 95 Prozent wahren – Bestseller „Fleisch ist mein Gemüse“ weiß man ja ganz gut, was der Saxofonist der Tanzkapelle Tiffanys bis dahin getrieben hat: Mucken und melken, so einsam wie ein Hamster im Rad. Die Karriere mit eigenen Popsongs blieb ein unerfüllter Traum. „Wenn man es mit 30 in der Popmusik noch nicht zu etwas gebracht hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit 40 doch noch reüssiert, herzlich gering“, sagt Strunk, und man spürt ein zartes Bedauern. „Ich hab geahnt, dass, wenn ich so weitermache, ich mit 40 immer noch in irgendwelchen Glitzerjacken auf der Bühne stehe und erfolglos irgendwelchen Quatsch vor mich hin komponiere. Ich hab mir zwar damals nicht gesagt: Jetzt werde ich Humorist! Auch gab es keinen Atze-Schröder-artigen Karriere-Plan mit einer Fernsehshow bei RTL als Ziel. Ich hab das einfach so gemacht, und die Leute, denen ich das damals vorgespielt habe, fanden das total gut.“
Mit der Verfilmung von „Fleisch ist mein Gemüse“, die am 17. April in die deutschen Kinos kommt, dürfte der Humorist Heinz Strunk bald nicht nur eingefleischten Fans ein Begriff sein. Zumal er selbst mitwirkt und als Erzähler wie ein Jägermeister-Hirsch aus der Wand hängend seine eigene Geschichte kommentiert. Natürlich konnte der Regisseur Christian Görlitz nicht die ganze Tragik und Drastik des Romans verarbeiten. Es gibt sogar – ganz anders als im Buch – ein augenzwinkerndes Happy End. Doch der Autor ist mit der Umsetzung seiner Lebensgeschichte trotzdem sehr zufrieden: „Ich hätte es entsetzlich gefunden, wenn ein Leichtgewicht wie Tobi Baumann („Der Wixxer“) den Klamaukanteil herausdestilliert hätte, um dann ein Erkan & Stefan-mäßiges Machwerk abzuliefern. Das wäre ein furchtbar alberner Scheißdreck geworden. Ich finde die Besetzung hervorragend. Vor allem Susanne Lothar als meine Mutter ist sagenhaft! Aber auch Maxim Mehmet spielt mich sehr, sehr gut — und das sind Sachen, die ich beurteilen kann.“
Und ob! Auf seiner Website zeigt Heinz Strunk sogar die alten Bierzelt-Bilder herum: Da sieht man gestandene Mannsbilder in Feuerwehruniformen, wie sie würdevoll betrunken in einer Polonaise durch die festlich geschmückte Mehrzweckhalk ihres Kleinstädtchens tapsen. Und dann die Tiffanys: kauzig liebenswerte Biedermänner in grellweißen Kunstfaser-Smokings, Gurki mit Minipli-Löckchen und der „Heinzer“ als Luftballon jagende Spaßkanone. Es hat diese Leute alle gegeben, wenn auch mit anderen Namen. Norbert, der eigentlich Jan-Peter Ruschmeyer heißt, hat sogar mit Strunk am Soundtrack des Films mitgewirkt.
„Der rote Faden der Wahrhaftigkeit“ ist Strunk wichtig: „Was einen Teil der deutschen Literatur so unleserlich und öde macht, ist, dass die Autoren einfach nicht aus der Deckung raus kommen. Immer wird sich hinter den Figuren verschanzt, das hat etwas Verklemmtes. Ich dagegen hab immer richtig Gas gegeben. Wenn mich einige Leute deswegen scheiße finden—Ätsch, der hat früher gewichst! —, ist mir das komplett egal!“
Strunk, der noch immer nicht lächelt, spricht wie in seinen zahllosen Hörspielen: schnell und atemlos, aber trotzdem gewürzt mit dem bedächtigen Slang der Süderelbe. Er macht gerne mal ein Ausrufezeichen, und sein Humor ist staubtrocken, aber hocheffizient. Ähnlich wie bei Helge Schneider ist es schwer, zwischen der Kunstfigur Heinz Strunk und dem Menschen dahinter zu unterscheiden. Hier wird in jedem Fall „geil abgeliefert“.
Schon während seiner Zeit mit den Tiffanys, die 1997 endete, hat der „Titanic“-Leser der ersten Stunde CDs aufgenommen, die „Spaß mit Heinz“ hießen, oder „Der Mettwurstpapst“: „Die humoristische Laufbahn hab ich mit 30 angefangen, aber die ersten Jahre lief das komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich hab die CDs selber rausgebracht, in 500er Auflagen, und wenn ich Glück hatte, waren die nach drei, vier Jahren verkauft. Das war lächerlich.“
„Spaß mit Heinz“ landete immerhin bei der Band Die Ärzte, die auf ihrem Album „Die Bestie In Menschengestalt“ eine kleine Gag-Ecke für den Tiffanys-Schalk zur Verfügung stellten. Zu Beginn des Songs „Gehirn Sturm“ hören wir den typischen Satz: ,Ja Hallöchen, hier spricht Heinz Strunk, und die Geräusche hinter mir, das sind Die Arzte. Ich drück beide Stunken ganz fest zusammen und sag: Eins, zwo, drei – Bühne frei.“
Über Bela B. landet „Spaß mit Heinz“ dann zwei Jahre später bei Rocko Schamoni. Der große Hamburger Bohemien, Frauenfreund und Soulpop-Sänger griff zwar sofort zum Telefonhörer, doch bis zur Gründung von Studio Braun sollten noch drei weitere Jahre vergehen. Als 1998 „Gespräche“erschien-ein ganzes Album voller absurder, höchst vergnüglicher Telefonstreiche – waren die Feuilletons ebenso begeistert wie die Hipster und ewigen Bescheidwisser. Alle schwärmten von dem witzigen Trio mit den Plastikeimern auf den Köpfen doch kaum einer hat eins der fünf Alben tatsächlich gekauft: „Wir waren extrem unerfolgreich. Die anderen, die Schweine, die haben davon profitiert: Paul Panzer und Bodo Bach, diese ganzen Radiomoderatoren, die haben richtig abgeholt. Die haben zum Teil Hunderttausende von Alben verkauft, wir im besten Fall 6000.“
Den Telefonstreichen hat Studio Braun inzwischen abgeschworen. Heute macht das Trio vor allem Live-Shows, im Idealfall aber auch große Bühnen-Inszenierungen wie „Phoenix – Wem gehört das Licht“, die Operetten-Version von „Fleisch ist mein Gemüse“, die im Mai 2005 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg Premiere hatte. „Da wurde das Ende ziemlich psychedelisch neu geschrieben. Ich hänge sehr an dem Stück, mit wenig Geld ist das ganz toll geworden.“
Zwischen dem Humor von Heinz Strunk und Studio Braun und dem, was im deutschen Fernsehen als Comedy läuft, gibt es kaum Schnittstellen – so ähnlich wie bei Karl Valentin und Fips Asmussen. Der Chef eines ostdeutschen Radiosenders plante vor fünf Jahren eine tägliche Studio-Braun-Show: „Der Mann war ein glühender Fan. Ich fand das total lieb, und das hätte uns auch viel Geld gebracht. Trotzdem sagte ich zu ihm, er solle das doch erst mal testen. Das wurde dann auch gemacht, und dabei kam heraus, dass die Leute noch nicht mal begriffen haben, dass es sich bei unseren Sachen überhaupt um Humor handelt. Echt, ohne Scheiß! ,Was soll daran witzig sein? und so. Was wir uns aktuell zur TV-Comedy fragten, fragten die sich zu Studio Braun.“
Manchmal hat Strunk etwas verzweifelt Aufmüpfiges, ein mitfühlendes Querulantentum, das den unerträglichen Zumutungen des Lebens einen wilden, anarchischen Witz entgegenschleudert. Im Februar ließ sich der Elvis-Fan sogar dazu überreden, in Hamburg als Bürgermeisterkandidat für Die PARTEI zu kandidieren, ein reiner Freundschaftsdienst für die Kollegen von der „Titanic“, denn klassische Polit-Satire findet der bekennende Nichtwähler albernen Quatsch. Um als Politiker durchzugehen, fehlt ihm ohnehin die Selbstzufriedenheit.
Und er hat ja auch genug anderes zu tun. Im Oktober erscheint bei Rowohlt „Die Zunge Europas“, Heinz Strunks zweiter Roman, in dem es um Gagschreiber, Fettleibigkeit bei Männern und den titelgebenden Onkel Friedrich geht, einen legendären Kaffeekoster aus dem Hamburger Freihafen. Der Autor ist inzwischen Medienprofi genug, um seine Einlassungen zum Buch bis Herbst zurückzuhalten. Doch so viel kann man verraten: Auch hier wird wieder gezeigt, wie man das Traurige und Tragische beschreiben kann, ohne in den weinerlichen Tonfall der deutschen Lebensratgeber zu verfallen. Spaß machen soll es sowieso: „Ich möchte eigentlich ein Buch schreiben, das für mich den gleichen Unterhaltungswert hat wie früher, als man unter der Bettdecke ,Fünf Freunde‘ gelesen hat. Es gibt Schriftsteller, die sind vielleicht schon mit der ersten Fassung relativ dicht dran — bei mir sind die ersten Fassungen so erbärmlich, das kann man sich gar nicht vorstellen. Aber ich bin da wie ein Terrier, ich beiß mich irgendwo fest, und dann wird’s am Ende auch gut. Ich hab 16 Fassungen für ,Die Zunge Europas‘ gebraucht, und erst ab der zwölften Fassung hat es mir gefallen.“
Im Moment schreibt Heinz Strunk bereits an seinem dritten Roman. Für die Recherche hat er weder Mühen noch Kosten gescheut und ist mit seinem Freund, dem Komödianten Christoph Grissemann – die beiden waren zusammen in dem Film „Immer nie am Meer“ zu sehen — durch die einschlägigen All-Inclusive-Clubs gereist: „Ich habe natürlich auch ,Plattform‘ gelesen, doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen mir und Michel Houellebecq: Ich führe in der DomRep das gleiche Leben, das ich auch in Hamburg führe. Also freiwillige Selbstbeschränkung, das militärische Korsett eines totalen Deppenurlaubs.“
Auch am Ende unseres Gesprächs wirkt Heinz Strunk – bei all dem funkelnden Wortwitz, mit dem er die ganze Zeit über um sich wirft – immer noch mehr getrieben als entspannt. Als hätten die Kränkungen und Schwierigkeiten seiner Jugend Narben hinterlassen, die jetzt ziehen und stechen: „Ich bedaure das sehr, dass ich in den letzten vier Jahren gar nicht mehr zum Musikmachen gekommen bin. Man könnte natürlich sagen: Dann mach doch einfach. Aber das Ding ist: Ich war mit der Musik immer erfolglos, im Unterschied zur Literatur. Da setze ich doch lieber auf eine Karte, von der ich weiß, dass sie funktioniert, statt weiter erfolglos Musik zu machen.“
Ein Lachen, das den Schmerz nicht kennt, ist vermutlich einen Scheißdreck wert. Eckhard Henscheid hat recht: Heinz Strunk gehört in eine Reihe mit Heino Jaeger, Helge Schneider und Gerhard Polt.