Papas Insomnia
Unausgeschlafen wirkt er. Ist ja auch kein Wunder— schließlich kommt Thomas Dybdahl zurzeit kaum zu Ruhe. Mal gastiert der Norweger auf dem neuen Morcheeba-Album, mal macht er mit Thomas D für die Arte-Reihe „Durch die Nacht mit…“ seine Heimat‘ Stadt Stavanger unsicher. Und nachdem der Singer/Songwriter gerade erst mit der Band The National Bank eine Platte fertig hat, sitzt er schon an seinem nächsten Soloalbum. Ach ja, außerdem ist er kürzlich Vater geworden. „Ich arbeite immer dann, wenn mein Sohn gerade schläft“, sagt Thomas Dybdahl müde lächelnd.
Vorbei scheinen die Zeiten, in denen er sich mit seinen Ideen monatelang allein zu Hause einschließen konnte, um schließlich irgendwann wieder mit Alben voller vielschichtig-empfindungsreicher Songs aufzutauchen, deren Intensität einen mitunter an Tim Buckley erinnert. Doch so intim Dybdahls Songs wirken, so wenig gibt er darin doch von sich preis. Über ihn selbst erfahre man mehr durch die Musik als durch die Texte: „Ich glaube, mein Leben ist nicht aufregend genug, um ständig in meinen Songs davon erzählen zu können“, behauptet der 29-Jährige. „Das hat wohl mit dem typischen Minderwertigkeitskomplex eines Mittelschichtjungen zu tun: Weil ich nicht aus der Gosse stamme, gibt es nicht genug Schmerz in meinem Leben, über den ich schreiben kann.“ Er erzähle in seinen Song lieber von anderen, und um sich nicht mehr nur selbst genügen zu müssen, hat sich Dybdahl für sein fünftes Album, das im nächsten Winter erscheinen soll, erstmals einen Produzenten geleistet: „Ich fand es langweilig, immer allein zu arbeiten.“
Darum ist er auch beim norwegischen All-Star-Ensemble The National Bank eingestiegen. Die Brüder Martin und Lars Horntveth, die eigentlich bei der schrillen Jaaz-Rock-Combojaga Jazzist zu Hause sind, hatten The National Bank 2003 ursprünglich nur für einen einmaligen Festival-Auftritt zusammengestellt. Damals wurde Dybdahl gefragt, ob er mitmachen wolle: „Ich fand die Idee toll, mal bloß der Sänger zu sein und mich nicht auch um das andere Zeug kümmern zu müssen.“
Es blieb nicht bei dem einen Auftritt: Weil sich der zusammengewürfelte Haufen auf Anhieb gut verstand, beschloss man, zusammenzubleiben. Im Sommer 2004 erschien das National Bank-Debüt, für das die Horntveth-Brüder mit ihren atmosphärischen, sanft-verschrobenen Kompositionen noch die Linievorgaben. Doch spätestens auf dem zweiten Album „Come On Over To The Other Siele“ hat sich das Projekt in eine echte Band und ein kreatives Kollektiv verwandelt. Immer wieder hat sich das Quintett im vergangenen Jahr an entlegenen Plätzen Norwegens (etwa auf einem Leuchtturm an der Westküste) getroffen, um aus den Ideen, die die Musiker mitbrachen, gemeinsam Songs zu machen: „Ich hatte davor auch etwas Angst“, gibt Dybdahl zu. „Wenn in einer Band alle ihre besten Einfälle zusammenrühren, besteht stets die Gefahr, dass am Ende ein Eintopf entsteht, bei dem man die einzelnen Zutaten kaum mehr herausschmeckt.“ Eine Sorge, die sich in diesem Fall als unbegründet erwies. Songs wie „Cubicle Man“ oder „Family“, die Dybdahl beigesteuert hat, klingen zwar überraschend eingängig und ganz anders als die Songs auf dem Debüt. Die Handschrift des Songschreibers, der ein Fan von Neuer Musik und Hip-Hop ist, bleibt aber stets erkennbar.
Meistens hat Thomas Dybdahl jedoch den anderen Bandmitgliedern das Liederschreiben überlassen – und er gibt zu, dass es ihm immer schwerer fällt. Song-Ideen zu finden, die er für gut genug hält: „Wenn ich jetzt was mache, denke ich oft: Verdammt, das habe ich doch schon mal gemacht.“ Vater eines Kindes ist er nun aber erstmals.