Travis – München, Tonhalle
Früher waren sie tatsächlich besser, aber live machen Travis immer noch Freude
„We’ll have some fun, yeah?“, fragt Fran Healy vorsichtig, obwohl das Publikum doch schon bei den ersten Takten von „Selfish Jean“ gejubelt hatte, als wären Travis nach drei Jahrzehnten Pause zurückgekehrt, nicht nach drei Jahren. Eigentlich ist auch alles beim Alten: Dougie Payne trägt den Bass immer noch merkwürdig stolz vor sich her, Andy Dunlop gibt gern den wirbelnden Rocker, Neil Primrose dauergrinst hinterm Schlagzeug. Die Konversation bestreitet natürlich Franny, der inzwischen noch viel mehr deutsche Wörter kennt, auch wenn er behauptet, dass ihm seine Frau außer „Scheiße“, „Wichser“ und Schlimmerem nichts beigebracht hat. Ihre feminine Seite wollten sie mit „My Eyes“ ausleben, erzählt der Sänger und verbringt dann fünf Minuten damit, einen Rollstuhlfahrer auf die Bühne zu holen, weil der ja mitten im Gewühl gar nichts sehe. Die freundlichen Travis, stets zu Diensten.
Sie machen nur einen Fehler: Als sie nacheinander „Side“ und „Driftwood“ spielen, muss auch dem wohlwollendsten Betrachter auffallen, dass diese Songs sehr viel besser sind als alle auf „The Boy With No Name“. Das einzige aktuelle Stück, das annähernd so viel Euphorie hervorrufen kann wie die alten, ist „Closer“, der Rest – gerade mal drei neue Lieder – wird höflich geduldet, weil danach ganz bestimmt etwas Wohlbekanntes kommt – „Writing To Reach You“, „Sing“, „Turn“, auch mal „The Line 1s Fine“. Das sieht schon ein bisschen nach Lorbeeren-Verwaltung aus, doch muss man auch mal sagen: Travis waren damals tatsächlich so gut, wie wir dachten! Herrliche Songs, so unverschämt sehnsüchtig gesungen, dass einem immer noch das Herz aufgeht. Man hat das in der Zwischenzeit ja fast vergessen, weil irgendwelche Klugschwätzer immer von „Weicheiern“ und „Kuschelrock“ geredet haben.
Außerdem sind Travis natürlich dermaßen „human – Mensch, you know?“, wie Healy es ausdrückt, dass man ihnen wieder mal nicht böse sein kann. Bei „Good Feeling“ soll Claus Björklund ein Piano-Solo spielen, kündigt Fran an und bittet alle, mit dem Finger auf den schwedischen Aushilfsmusiker zu zeigen und seinen Namen zu brüllen. Damit er ordentlich Fracksausen bekommt! Eine richtige Rockshow wird das so, und zu „All I Want To Do Is Rock“ klettert Dunlop gar auf seinen Verstärker, Potzblitz.
Bei der Zugabe geht es wieder gemütlicher zu. Travis geben den Straßenmusiker-Bund, Arm in Arm (auch mit Claus) singen sie „Flowers In The Window“, und zum Schluss werden natürlich zu „Why Does It Always Rain On Me“ noch Schirme aufgespannt. Wir hatten Spaß.