Wahrheit muss weh tun
Als Christiansen-Nachfolger kam Frank Plasberg nicht zum Zug, dafür läuft sein politischer Talk "Hart aber fair" ab Oktober bundesweit. Wird das gut gehen?
Wenn Frank Plasberg aus seinem Düsseldorfer Büro tritt, muss er fein acht geben, dass er nicht überrollt wird. Dicke 30-Tonner donnern vor der Zentrale seiner Produktionsfirma „Ansager & Schnipselmann“ über eine mehr als verkehrsreiche Kreuzung. Es ist Zufall, dass Plasberg sich jeden Abend ins dichte Verkehrsgewimmel einfädeln muss, um zu seiner Kölner Heimstatt zu kommen, aber das Gewusel auf der Kreuzung gleicht der Aufregung, die derzeit um seine Person herrscht. Dabei tut der Mann nur, was er immer tut. Er bereitet seine Diskussionssendung „Hart aber fair“ vor, und mittwochs geht er damit on air. Mehr nicht.
Der Umstand, dass „Hart aber fair“ ab 24. Oktober nicht mehr im WDR-Dritten, sondern in der ARD ausgestrahlt wird, reicht für eine kleine Plasberg-Hysterie. Da wird ein Heißluftballon losgelassen, den manche gerne platzen sehen würden. Schon jetzt ist absehbar, dass es heftige Kritik hageln wird. Plasberg, der lange als Gegenentwurf zur viel gescholtenen Sabine Christiansen herhalten musste, wird ordentlich auf die Schnauze bekommen. Man wird konstatieren, er sei ja längst nicht so gut, wie das die Rezensionen seiner Sendung im Dritten immer suggeriert hätten. Man wird anmerken, dass er letztlich doch auch nur mit Wasser koche. „Stimmt ja auch“, wird Plasberg dann antworten. Und dass er nie etwas anderes behauptet habe.
Das Verwirrende am Hype um den 50-Jährigen ist, dass er tatsächlich nur mit Wasser kocht. Übersetzt steht das für die Tatsache, dass er lediglich sein journalistisches Handwerk ausübt, dass er halt Tugenden pflegt wie gründliche Vorbereitung, penible Recherche und bohrende Neugierde. Dass so etwas heutzutage schon für überdimensionales Lob reicht, ist etwas unheimlich. Vielleicht auch, weil es so viel sagt über den Zustand des Journalismus im Land. Das schönste Lob dürfte dem hartnäckigen Handwerker im öffentlich-rechtlichen Dienst daher eines sein, das erst gar nicht wie eines klingt: Plasberg ist Journalist. Mehr nicht, aber auch nicht weniger.
Der Fall des Mannes, der früher bei der Regionalsendung „Aktuelle Stunde“ der Mann an Christine Westermanns Seite war, dieser Fall wäre ein schönes Thema für seine eigene Sendung. „Hart aber fair“ heute mit der Frage „Plasberg – Ist das schon alles?“, lautete dann die Ansage. In der Folge würden sich die Gäste aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem WDR-Gewächs beschäftigen, würden beleuchten, wie der kleine Frank im Bergischen Land nahe Köln an der Tankstelle jobbte, wie er erste Artikel fürs Lokalblatt schrieb, wie er erst im Allgäuer Lokaljournalismus und dann bei der Münchner , Abendzeitung“ landete, wie er bei SWF 3 ausgebildet wurde und der Regionalberichterstattung des WDR Quotenbeine machte. Am Ende der Sendung käme der Zuschauer dann zu einem ernüchternden Urteil: Ganz normal, dieser Plasberg.
Bei „Hart aber fair“ werden Dinge geradegerückt. werden Politiker mit ihren Aussagen, aber auch mit ihren Macken und Defiziten konfrontiert. Manche Filmeinspieler wirkten wie Ohrfeigen für großspurige Politiker, schrieb der „Spiegel“. Legendär ist die Szene aus den Anfangstagen, als man dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück vorführte, was passiert, wenn man Tauben auf der Stange eine seiner Reden vorspielt: Sie schlafen ein.
Nicht wenige sind der Meinung, dass die eigentliche Leistung von „Hart aber fair“ nicht im gelegentlich forschen Auftreten des Moderators Plasberg liegt, sondern in der Vorbereitung, die seine Mannschaft leistet. Piasberg ist nur so gut wie die Menschen, die ihm zuarbeiten. Er weiß das, und genau deshalb nimmt er die derzeitige Aufregung gelassen. „Ich staune, dass viele mir den Eindruck vermitteln wollen, dass das Fernsehen jetzt erst anfängt. Ich glaube das nicht“, sagt er.
In der ARD wird seine 90-Minuten-Sendung um 15 Minuten gekürzt. Kein Beinbruch, eher die Aufforderung, das Konzept zu flexibilisieren. „Wir werden den Werkzeugkasten fürjede Sendung neu packen“, sagt der Chef. „Wir hatten gute Gäste, oft auch solche von der B-Liste. Ich bin gespannt, ob die sogenannten A-Gäste in der ARD auch immer die besten sind“, und in seiner Stimme schwingt Zweifel mit.
Immerhin wurde das stetige Zweifeln schon reich belohnt. Alle relevanten Fernsehpreise stehen bei „Ansager & Schnipselmann“ herum, heben aber die Stimmung längst nicht so, wie man annehmen könnte. „Mein Selbstbewusstsein und mein Stolz speisen sich vor allem aus der Tatsache, dass wir es geschafft haben, ,Hart aber fair‘ aus einem der vielen dritten Programme auf eine bundesweite Bühne zu heben“, sagt Plasberg.
„Ich bin gespannt, ob meine Gefühle dem standhalten, ob ich da cool bleibe.“
Natürlich ist er nicht nur Bedenkenträger und Selbstvermarkter. Er ist auch ein bisschen ehrgeizig und möchte es einem zeigen, mit dem er beim SWF Seite an Seite ausgebildet wurde, der ihm immer noch als Freund nahe steht, der nun aber mittwochs ab 21 Uhr 45 Konkurrenz bekommt. „Ich fände es schön, wenn man bestätigen kann, dass wahre Freundschaft auch berufliche Konkurrenz überdauert, dann nämlich, wenn ,Hart aber fair‘ Claus Klebers ,Heute-Journal plattmacht“, sagt er, und freut sich diebisch über die Neckerei.
Dann muss er los, raus ins Düsseldorfer Verkehrsgetümmel. Die Laster hat er im Blick. Wie er das mit der ARD hinkriegt, muss sich zeigen.