Blues und Rubine
Unter dem Namen Destroyer macht der Kanadier Dan Bejar kostbare, stolze Musik, für immer mehr Eingeweihte
Die Rock*A*Teens kamen nach Montreal, und Daniel Bejar war irgendwie der Einzige, der sich freute. Je obskurer die Gäste, desto wertvoller der Moment, und damals, 2001, mochte Bejar die unbekannte Band aus Georgia so sehr, dass er beim Konzert auf- und absprang, obwohl die anderen sechs Zuschauer komisch guckten. „Backstage habe ich mich entschuldigt, dass alle Bewohner von Montreal solche Idioten sind“, sagt Bejar, doch am nächsten Morgen, mit abgeschwollenem Adrenalin, war ihm alles peinlich. Leider.
Dieses Streben nach Größe an Orten, die einen zur kleinen, unambitionierten Gemütlichkeit zwingen, das ständige Fort-Da-Spiel mit den Idealen der Musikindustrie, die man doch nur verspottet, weil man eigentlich so gern von ihr geliebt werden würde: Auf solchen Tempeltrümmern wandelt Daniel Bejar selbst, darauf hat er sein Werk gebaut, das er unter dem Band-Namen Destroyer veröffentlicht hat, mit wechselnden Musikern seit 1995. Ein Typ, den man nie wieder vergisst oder verwechselt, schon wegen der Stimme, dem romantischen Gequengel und gejaulten Spott, der sauren Zunge, die viele Hörer von Anfang an aussiebt. Verehrer haben Bejar eine eigene Wikipedia errichtet (www.deftone.com/destroyer) – die acht Destroyer-Alben enthalten so viele schwarze Diamanten und Gedichte und sanft gemeckerte Majestäten, eisklare Wüsten-Nachtlieder und schwermütigen Beat für europäische Cafes, so viel absolut grandiose Musik, dass halt wieder etwas schiefgelaufen sein muss. Selbst für Indie-Verhältnisse ist Bejar unbekannt.
Er hat die Band New Pornographers genau zu dem Zeitpunkt gelangweilt verlassen, als sie ein bisschen berühmter wurde. Er brachte 2004 das Album „Tour Blues“ heraus, auf dem er sich von einem bizarren Orchester aus Synthesizern begleiten ließ, und wählte für die erste Europa-Tour ausgerechnet die Noise-Punk-Band Frog Eyes als Begleitgruppe, die vor geschocktem Publikum die Synthie-Lieder zu Knochensplittern zersägte. Den Stolz, der ihnen laut Tauschwertprinzip gar nicht zusteht, behalten manche Künstler einfach so. Und für die neue und mal wieder beste Platte „Destroyer’s Rubies“ hat Bejar dann mehr Lob als gewohnt gekriegt und in Amerika immerhin 20 000 Stück verkauft, mehr als doppelt so viel wie sonst.
Der Globalisierung der Musikkritik im Internet sei das zu verdanken, meint Bejar, der Halb-Spanier ist und das Frühjahr – weit von Vancouver, wo er heute wohnt – in Malaga verbringt. Ist das der europäische Zug? Wo er seine Musik doch selbst „European Blues“ genannt hat? „Bei manchen Sachen, die ich gemacht habe, bin ich vielleicht ganz bewusst den… eher… typisch amerikanischen… Rock-Charakteristika ausgewichen… und manchmal war es vielleicht weniger bewusst.“ Pünktchen und Pausen gibt es nie, wenn er singt. „Vielleicht bemühe ich mich etwas mehr als andere, die nichtamerikanische Kultur wahrzunehmen. Allerdings muss man sich wirklich nicht arg anstrengen, um nie fit wie der typische US-Indie-Rock zu klingen…“
Sein Vater war Physik-Professor, die Mutter Spanischlehrerin, und er selbst wollte immer an der Uni bleiben. Studierte in Vancouver Englisch, Philosophie und Film, aber heute, mit 34. ist davon nichts mehr übrig. Über Destroyer spricht Bejar oft im Duktus eines gebildeten Pop-Kritikers – nur nicht über die Songtexte, die noch ein Grund dafür sind, dass er gefürchtet und geliebt wird: Er hat superzynisch über Selbsterniedrigung im Rock-Business gesungen, amputierte Querverweise gestreut („There is a light and it goes out!“) – die Wörter, Bilder, Bewusstseinsströme und zentralmassiven Versmaße leisten sich absolute Rätselhaftigkeit, die vielen Mädchennamen und Zyklopen und Königinnen, die übellaunige Romantik, Widerwillen und Harmonie. „Natürlich ärgert es mich, wenn Leute sagen: Oh, wieder eine Platte von Destroyer, also noch mehr unzusammenhängendes Blabla. Ich schreibe eigentlich sehr konkret über Dinge – das heißt ja nicht, dass man eine konkrete Interpretation vorschlägt. Was meinen die Leute, wenn sie fragen: ‚Was bedeutet das und das?‘ Dass jede Zeile ein Code für einen anderen Satz ist? Außer komischen modernen Romanautoren schreibt niemand so.“ Vielleicht ist es für einen Künstler doch erleichternd, nur von Wenigen verstanden zu werden, wenn die meisten nicht mal wissen, wie man überhaupt Sachen versteht. Auf der 2005er Europa-Tour hat Daniel Bejar dann auch Konzerte erlebt, die seinem Erlebnis bei den Rock*A*Teens ähnlich waren. „Ljubljana war komplett überfroren, als wir kamen, und es war auch noch der Tag nach Ende des Karnevals. Wir spielten in einem Goth-Metal-Club. Vier oder fünf Leute stolperten rein, weil sie dachten, wir wären eine Metal-Band… Sowas wird es immer geben.“ Den Stolz kann er nicht ablegen, wenn er weiter solche Musik machen will.
Der einzige Prominente, der eine Zeit lang in Interviews Destroyer lobte, war – na wer? – David Bowie. Und wenn der anruft? „Weiß nicht“, sagt Bejar. „Vielleicht finden wir ja was, das er kann. Tamburin spielen oder so.“ Aber das soll nur ein Scherz sein.