Ganz gut in Geo
Martin John Henrys spezielle Band De Rosa teilt mit dem Rest der Glasgow-Szene nur Bühne und Theke
Ein Gespräch mit Martin John Henry ist so, wie man es erwartet hatte, nämlich leise bescheiden, kunstbeflissen, und vorsichtig reflektiert. Zusammen mit seiner Band De Rosa präsentiert der Glasgower dieser Tage eine Platte, die von eben solchen Eigenschaften beseelt ist: „Mend“ vermengt Postrock, Folk. No Pop, Pop und die Indie-Musik der Gegenwart. Alle Zutaten sind klar auszumachen, aber es lebt etwas in dieser Musik, weit hinter den Kategonen, tief drinnen in vielen schönheitstrunkenen Melodien und nur halb durchsichtigen Oberflächen.
Wer durchsteigt durch die Texturen, findet etwas Besonderes und schließt die Platte gleich ins Herz. „Obwohl ich mit US-amerikanischem Indie-Rock aufgewachsen bin, habe ich mit meiner eigenen Musik im Gegensatz zu anderen Bands aus Glasgow nie nach einem amerikanischen Ton gesucht“, grenzt Henry sich ab, „der schottische Folk, der englische Protestsong, sicher auch Bands wie Sonic Youth – es geht bei De Rosa immer darum, alle vorhandenen Einflüsse zu verbinden. Schon klar, dass dabei andere Musik herauskommt als bei den meisten Indie-Bands im Moment. Aber als Kunststudent in Glasgow sieht man die Dinge eben etwas anders.“
Das Kunststudium, richtig. Henry befasste sich dort mit Fotografie und Malerei und beschreibt die intensive Auseinandersetzung mit dem kreativen Prozess als seine bislang wichtigste Erfahrung. „Alles vermischt sich. Ob ich nun male, fotografiere oder schreibe: Es geht immer darum, Momente einzufangen und etwas sichtbar zu machen, das sich hinter den Dingen versteckt.“ Auf „Mend“ erkennt Henry das Leben und das Sein an sich in der ganz realen Region Lanarkshire, zu der neben Glasgow vor allem viei schottische Countryside gehört. Henry steht also da oben auf den Hügeln südlich der Stadt und schaut hinunter. „Vieles ist schon eine Art Kommentar zu Glasgow und meinem angespannten Verhältnis zu der Stadt. Ich kann ohne so eine konkrete Geografie nicht schreiben – so als würde ich meine innere Geografie sonst nicht erkennen können. Man weiß ja nur, was man weiß, und ich gehöre nun mal in diese Landschaft. Was ich erlebe, erlebe ich aus dieser Perspektive.“
Seit sechs Jahren schon betreibt Henry sein brainchild De Rosa, die längste Zeit davon allein. 2004 bot Gargleblast Records Henry eine Zusammenarbeit an, und erst im Lauf der Sessions kam mit den Brüdern James und Neil Woodside sowie Ross Steward ein konstantes Line-up zusammen. Zwei Jahre haben De Rosa dann zusammen mit Produzent und Labelchef Andy Milleranden Aufnahmen zu „Mend“ gebastelt – wie das Leben es so zuließ, nach Feierabend und am Wochenende. „Ich hatte die Gelegenheit, immer wieder Abstand zu nehmen“, findet Henry die lange Weile eher positiv, „dein Gehirn behält ja die Melodie eines Liedes und konzentriert sich aufs Wesentliche. Beim Wiederhören fällt einem dann auf, was überflüssig ist, und man kann es korrigieren.“
Noch während der Aufnahmen schaltete sich übrigens eine schottische Institution ein: Das einst von den Delgados gegründete Label Chemikal Underground mochte Henrys verhuscht scheue Eigenart und übernahm das weiterführende Geschäft. „Das ist schon sehr familiär“, freut sich Henry über reichlich Konzerte mit Labelmates wie Mogwai, Arab Strap und Emma Pollock, „wir hatten große Sorge, in dem ganzen Franz Ferdinand-Sog falsch verstanden zu werden. Das scheint so aber nicht zu passieren.“ Warum auch?