Verehrte Helden und verheizte Hinhalter
Er gilt als der undankbarste und doch begehrteste Job der Showbranche: Unterhalter für ungeduldige Stones-Crowds
Er habe sofort zugesagt, als ihm die Stones den Support-Slot für einige Dates ihrer US-Tour anboten, sagt Brian Setzer, aber es sei Abend für Abend ein Kampf gewesen. „Wir wurden ignoriert oder ausgepfiffen“, erinnert er sich, „wenn’s schlimm war, kam Mick Jagger auf die Bühne und bat das Publikum, uns eine Chance zu geben. Einmal drohte er sogar, die Stones würden nicht auftreten, wenn die Unmutsbekundungen nicht aufhörten. Das half.“ Gelohnt habe sich das zuweilen demütigende Durchhalten allemal: „Danach kannte man die Stray Cats auch in Amerika.“
Es war die erste Stadion-Tour, selbst die gewaltigsten Hallen fassten die Fanmassen nicht mehr. Alleine aus New York gingen im Vorfeld der 81er Tour mehr als eine Million Ticket-Wünsche ein. Waren die Stones 1978 nur ausnahmsweise auf Stadien und Freigelände ausgewichen, wurde es nun zur Regel. „Angebot und Nachfrage, Baby“, feixte Keith Richards seinerzeit, „damit müssen wir fertigwerden“. Sie wurden es, dank riesiger Bühnen, eigens entwickelter Beschallungsanlagen, und immer größerer Videoscreens. Und natürlich veränderte sich der Charakter der Stones-Shows. Die schieren Dimensionen erforderten eine andere, den Entfernungen angepasste Projektion. Zigtausende in Bann zu halten ist keine leichte Übung.
Doch eben das wurde nun verlangt, auch von den Vorgruppen. Deren Auswahl ebenfalls Kriterien unterworfen wurde, die davor kaum von Interesse waren. Hatten die Stones bei den frühen US-Tourneen noch darauf bestanden, dass ihre alten Helden wie Howlin’Wolf oder Muddy Waters ein Stück vom Kuchen abkriegten, waren in den späten 60er und frühen 70er Jahren noch Künstler im Tross, die sie bewunderten, wie Ike & Tina Turner (l.). Marvin Gaye, Chuck Berry, B.B.King oder Stevie Wonder, alle mit Bedacht ausgesucht, alle persönlich eingeladen und betreut, so traten die Faktoren Tribut und Respekt bei der Selektion des Vorprogramms immer weiter zurück.
Inzwischen ist es längst Usus, dass die Veranstalter diesbezüglich Vorschläge unterbreiten, die von den Stones dann geprüft werden. Anlässlich der „Licks“-Tour durften sich so u.a. Ryan Adams, Elvis Costello, Sheryl Crow (Foto u.), die White Stripes und die Strokes geehrt fühlen, beim „Bigger Bang“ teilte man sich die Bühne bisher mit Buddy Guy, den Meters, Wilco, Merle Haggard, Beck oder Toots & The Maytals, aber auch mit Roots-fernen Rock-Acts wie Pearl Jam oder Metallica. In America.
In Europa scheinen die Promoter wenig Gespür dafür zu haben, was einer Stones-Crowd zuzumuten ist. Speziell in Deutschland lässt man seit Jahren mediokre Bands auftreten, die bestenfalls für Gähnen sorgen wie Big Country, Simple Minds oder die Cranberries. Oder man tritt voll ins Fettnäpfchen und präsentiert Peinlichkeiten wie Peter Maffay und die Böhsen Onkelz. was natürlich auch die Stones angreifbar macht, diese aber wenig zu jucken scheint. Traurig.