Im Rücken der Klassik
Kein gewöhnliches Popkonzert: Ein schwer angeschlagener Adam Green und ein feudales Streichquartett mit sachtem Anschlag
MÜNCHEN, HERKULESSAAL: „Och nee, der kann mich ja gar nicht anschauen, von da, wo wir sitzen. Nicht mal mit ‚m Arsch“, maunzt ein rausgebrezeltes Adidastaschen-Mädchen zu ihren Freundinnen, als die vier ihre Sitzplätze auf dem Balkon des Herkulessaales in der Münchner Residenz quasi direkt oberhalb des Schlagzeugs begutachten. Nein, das ist kein Ort für ein normales Popkonzert. Aber es ist ja auch kein normales Popkonzert. Adam Green mit Streichern. Hört sich schon feudal an. Unten auf den teureren Plätzen sitzen auch tatsächlich vereinzelt Herrschatten, die so ausschauen, als seien sie hier nach dem letzten Schumann-Abend einfach sitzengeblieben. Mittelalte Studiendirektorentypen mit Schnauzbart in feinem Zwirn und ihre – vermutlich um die verschwendete Jugend zu rekonstruieren – grotesk überschminkten Damen. Da müssen die süßen Nymphchen dann leider oben zwischen unglamourösen Pressevertretern mit Schreibblöcken und Jutetaschen Platz nehmen.
Irritiert sind – bis auf die Pressevertreter natürlich erstmal alle, als Jeffrey Lewis mit seinen Freunden und Bruder Jack die Bühne betritt, skurrile Geschichten zur Akustischen erzählt, seine Comiczeichnungen an die Wand wirft und schrabbelige Punksongs spielt. So hat auch bei Adam Green mal alles angefangen. Anti-Folk nannte man das damals.
Anderthalb Stunden später kommen Band und Streicher auf die Bühne. Vier Damen inklusive Jane „Friends Of Mine und Lou Reed“ Scarpantoni.
Och menno, nur ein Quartett. Man hatte ja insgeheim schon auf ganz großes Brimborium gehofft. Pavarotti and Friends, Munich Symphonie Sound Orchestran plays Beatles oder zumindest Elvis Costello trifft Burt Bacharach. Als Adam Green auf die Bühne gestrumpelt kommt, hat man das aber auch schon wieder vergessen. Er scheint schwer angeschlagen, murmelt etwas von einer Tasse Kaffee, läßt viermal das Mikro auf den Holzboden fallen, kriecht über die Bühne, erzählt abenteuerliche Stories. in denen sein Gemächt und bayrische Weißwurst vorkommen. Und prahlt in einem fiktiven Dialog mit seinem Vater – wir erinnern uns: die Felice-Bauer-Kafka-Connection -, wie weit er es in seinem Leben schon gebracht hat (die Streicher!), während der Alte immer noch im gleichen Apartment an New Yorks Upper West Side sitzt. Kurz: Der Abend hätte kaum besser verlaufen können, wenn man zu Hause geblieben wäre und „Wetten, dass..?“ geschaut hätte. Alle Hits gibt’s sowieso. Die Sachen von „Friends Of Mine“ kriegen natürlich den größten Applaus, und wenn ein Stück mal nicht funktioniert, ist das nicht so schlimm, weil zwei Minuten später ja schon das nächste kommt.
Einmal schaut Adam Green sogar hoch zum Balkon. Wen stört es da noch, dass man die Streicher auf den billigen Plätzen da oben gar nicht hören konnte?