Country im Wohnzimmer
Als lesbische Jüdin aus dem Norden hatte Janis lan in Nashville nur als Songlieferantin eine Chance
Sie hat mit Dolly Parton „My Tennessee Hills“ besungen (2004 auf „Billie’s Bones“) und sich mit Ani Di Franco auf die Suche nach einem anderen Amerika gemacht (1997 auf „Hunger“ – und beides klang nicht wie eine verzweifelte ABM, sondern als hätte es schon immer in der Luft gelegen. Solchen Credits zum Trotz können Sie die nur 1,45 Meter kleine Frau außerdem privat für ihr Wohnzimmer buchen, das nötige Kleingeld vorausgesetzt. Im März wird Janis lan sogar ihre ersten „Living Room“-Konzerte außerhalb der USA spielen, in England und Holland. „Wir haben sichergestellt, daß die Termine ohnehin im Tour-Zeitraum liegen, so daß die Leute keine Flugkosten haben.“ Dafür dürfen die Gastgeber zwei Wochen vorher eine Wunschliste mit Songs schicken, meist so um die 40 bis 50, aus denen sich lan etwas herauspickt. „Es ist natürlich sehr relaxt“, beschreibt sie die Shows in der guten Stube nebenan. „Keine Sorgen ums Licht, um Mikrophone und Make-up. Außerdem ist es ein gutes Gefühl zu wissen, daß der Foundation am nächsten Morgen ein dicker Scheck gut geschrieben wird.“ Mit der Pearl-Foundation finanziert Janis lan auch auf diesem Wege schon seit einigen Jahren Stipendien für Jugendliche, die drohen, durch den US-Bildungsrost zu fallen.
Gut ins Wohnzimmer paßt auch das neue Album mit dem satirischen Titel „Folk Is The New Black“, im Trio aufgenommen mit dem Perkussionisten Jim Brock und dem Bassisten Viktor Krauss (Alisons Bruder). lan versichert lachend, aber noch nie etwas von der „Quiet Is The New Loud“-Bewegung gehört zu haben. „Ich wollte wieder eine Folk-Platte machen. Diese Songs haben auch nicht nach mehr Instrumenten verlangt, also ließ ich sie lieber weg.“
Das war 1977 noch anders, als sie für „Fly Too High“ sogar mal mit Giorgio Moroder im Studio war. Verblüfft registriert man, daß sie damals älter klang als heute mit fast 55. lan lacht laut. „Wahrscheinlich hab ich mich damals selbst viel zu wichtig genommen – das ist leichter, wenn man jünger ist.“ Und vorher auch noch ein kontroverser Riesenhit im Wege stand. Wie damals ihr „Society’s Child“ über eine gemischtrassige Teenagerliebe. „Ich war gerade 16 und hatte einen Song geschrieben, den viele haßten – damit klarzukommen war kaum möglich.“
Erst in Nashville bekam sie ab Mitte der 80er wirklich wieder Boden unter die Füße. Eine Country-Karriere war als „lesbische Jüdin aus dem Norden“ zwar nicht drin, aber als Song-Stadt funktionierte Nashville für lan. Sie schrieb für Nanci Giiffith und Joan Baez und der Kollegin Harris die wundervolle Hommage „Boots Like Emmylou’s“. lan: „Seit ich 15 bin, geht es mir immer besser. Es kümmert mich nicht mehr, was andere sagen, wie du aussiehst, all der Kram.“ Nach der langen Tour in diesem Jahr möchte Janis lan das nächste zu Hause verbringen, um ihre Autobiographie schreiben zu können. Wer sich da warm anziehen muß, mochte sie noch nicht verraten.