Die Klotür zur Unsterblichkeit
Die hübschen Albumtitel seiner Band Belle & Sebastian findet Stuart Murdoch an seltsamen Orten, und seine schönsten Songs findet man nicht auf herkömmlichen Alben
In einem Tagebucheintrag auf der Internetseite seiner Band Belle & Sebastian beschreibt Stuart Murdoch, wie er eines Morgens in einem Cafe saß, sich mit einem Tempotaschentuch die Nase putzte und dachte, Antoine Doinel hätte sicher nicht in ein solches Papierding geschneuzt.
Man hätte ahnen können, daß Murdoch dieses von Jean-Pierre Leaud gespielte filmische alter ego Francois Truffauts, diesen naiven Narziß und linkischen Schlawiner, in seine Ahnengalerie aufgenommen hat Und kann es ein Zufall sein, daß Doinel seinen schönsten Auftritt in einem Kurzfilm (der „Antoine und Colette“ betitelten Episode in „Liebe mit zwanzig“) hatte – so wie Murdochs Band Belle & Sebastian vor allem im kleinen EP-Format glänzen? Natürlich.
„Push The Barmam To Opan Old Wounds“, eine Kompilation mit 25 Songs von den sieben EPs, die sie für das Jeepster-Label machten, ist für viele jedenfalls schon jetzt das beste B&S-Album. „Die Platte war nicht meine Idee, genauso wenig wie dieses Interview“, lamentiert Murdoch, der immer noch am liebsten schweigt, wenn er nicht singt. „Stevie (Jackson, der B&S-Gtiarrist) meinte, es wäre Zeit, die Songs auf einem Album zu vereinen, damit sie nicht verloren gehen, wenn die EPs nicht mehr lieferbar sind.“ Zumindest der Titel dieser Sammlung war Murdochs Idee. Er fand ihn auf einer Toilettentür in einer Bar der Glasgower Kunsthochschule. Schon das Album „Fold Your Hands Child You Walk Like A Peasant“ hatten sie nach einem solchen universitären Klospruch benannt.
Nicht die einzige Tradition, in der „Push The Barman…“ steht Schließlich haben auch The Smiths und Orange Juice ihre feinsten Stücke in kleineren Formaten veröffentlicht und zu essentiellen Longplayern kompiliert. „Lustig, daß du gerade diese beiden Bands anführst, denn als ich die Mitte der 80er erstmals gehört habe, waren die enorm wichtig für mich.“ Davor gehörten eher AC/DC, Yes, Rainbow und Deep Purple zu seinen Favoriten. Da muß die erste Berührung mit besagten Bands ja eine Befreiung gewesen sein. „Schon. Aber auch eine Verunsicherung. Einerseits mochte ich Mädchen – und andererseits habe ich mich gleich in Morrissey, Edwyn Collins und all diese Leute verliebt Das war ganz schön verwirrend.“
Verwirrt war sicherlich auch der ein oder andere B&S-Fan, als die Band ihr letztes Album „Dear Catastrophe Waltress“ von Hitmacher Trevor Horn produzieren ließ, doch der machte seine Sache gut, gab dem Sound der Band mehr Kontur. „Kann schon sein, daß er seinen Anteil daran hatte. Ich glaube aber auch, daß das ein bißchen mit gesteigertem Selbstbewußtsein zu tun hat, das man bekommt, wenn man ein paar Jahre zusammenspielt“ Beim nächsten Album, das Anfang 2006 erscheinen soll, ist Hom nicht mehr dabei. „Wir machen die neue Platte in Kalifornien, nächste Woche geht’s los.“ Auch das hätte man ahnen können: B & S auf den Spuren der Beach Boys. Singen sie nicht: “ I love my Carl/ I love my Brian my Dennis and my All. I could even find it in my heart to love Mike Love.“ Wo sich dieser Song befindet? Auf einer EP natürlich.