Unter Druck
Halbprominenz in „Teufels Küche" soll bei RTL die Quoten aufrühren
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn ausgerechnet der schwer in quotentechnische Schwulitäten abgesackte Marktfuhrer in Sachen Unterschichtenfernsehen eine Sendereihe plaziert, deren Titel man problemlos auch als exakte Positionsangabe der Gesamtfirma interpretieren kann. Am 8. April eröffnet RTL nämlich „Teufels Küche“ und gibt zehn sogenannten Prominenten 14 Tage lang die Chance nachzuempfinden, wie sich im Kölner Sender derzeit nicht wenige fühlen: unter Druck.
Was beim Kommerzkanal auf verfehlte Programmpolitik zurückzuführen ist, soll in der neuen Show quasi zum Konzept erhoben werden. Allerdings müssen die vermeintlich bekannten Kandidaten, deren Namen bis kurz vor Start geheim gehalten wurden (nur Volksmusik-Titan Patrick Lindner wurde enttarnt), keinen Sender leiten. Das wäre zu einfach. Sie sollen kochen und zwar mit Leidenschaft. Der mit Wortdurchfall und militaristischen Anwandlungen schwer erfahrene ostzonale Tanzspieß Detlef D. Soost würde vermutlich sagen: „Du mußt burnen.“
Nun hat Leidenschaft ja mit einem emotionalen Zustand zu tun, der auch Leiden schafft, und genau darauflegt man bei RTL wert. Der Sender will seine Promis leiden sehen, täglich, live und ausgiebig. Natürlich geht es wieder um Menschen, die den einzigen Ausweg aus der Sackgasse, in die ihre Karriere geraten ist, darin sehen, sich öffentlich demütigen zu lassen. Es sind jene, die längst schon da sind, wo sie jetzt hingehen: in Teufels Küche.
Derzeit baut die Anstalt mit dem Sender gerade ein Luxusrestaurant zur allabendlichen Verköstigung 60 sorgfaltig gecasteter Gäste. Unter der Aufsicht von Sternekoch Christian Rach sollen dort die von kulinarischer Kunst vorher möglichst unbeleckten Bekanntheiten im eigenen Saft köcheln und nicht allzu viel ungeplante Eigeninitiative entwickeln. „Wer nicht spurt, bekommt eins hinter die Löffel“, heißt es im vorab verbreiteten Pressetext, der keine Zweifel daran läßt, daß es um Qual und öffentliche Demütigung gehen soll, wenn der Inhalt der Dschungel-Show ins Gekachelte verlegt wird.
Darauf deutet schon die Wahl der Produktionsfirma hin. Die heißt wie bei der Dschungel-Show Granada und bringt das Format aus Großbritannien mit. Dort war das Vorbild „Hell’s Kitchen“ ein Publikumsmagnet und vereinigte so unterschiedliche Charaktere wie die einst erfolgreiche Sängerin Belinda Carlisle und Matt Goss, der in grauer Urzeit mit der Formation Bros kurz für feuchte Teenagerträume sorgte. Der gealterte Jungstar bekannte hinterher, er habe sich das alles ganz anders vorgestellt. Erwartet habe er eine Fernsehshow, dann sei es aber eine Menge Arbeit geworden.
Nun klingt es per se ja nicht übel, wenn beschäftigungslose Zelebritäten produktiven Prozessen zugeführt werden. Aber natürlich wäre RTL nicht RTL, wenn da nicht ein paar zusätzliche Gemeinheiten auf die Kandidaten lauern würden. Nicht nur wird die Dschungel-Domina Sonja Zietlow Zuschauern und den Küchenarbeitern ihren verbalen Senf aufdrängen, es werden auch langsam aber sicher Temperatur und das Arbeitstempo in der Küche gesteigert. Zudem können die Zuschauer nach der ersten Woche täglich entscheiden, für wen der Ofen ausgeht, wer also rausfliegt aus Teufels Küche.
Die Gefahr, daß die Show selber bei mangelndem Zuschauerzuspruch vom Sender fliegen könnte, wird allgemein als eher gering eingeschätzt. Erstens hat man sich bei RTL mittlerweile daran gewöhnt, Flops zu produzieren, und zweitens fehlen schlicht und einfach die Ersatzprogramme. Nicht ohne Grund importiert der Muttersender RTL vom Tochterunternehmen Vox einen Ableger der dort extrem erfolgreichen US-Serie „CSI“ und lagert die bereits im Herbst fertig gestellte Reihe „Peking Expreß“ weiterhin auf Eis. Man muß bei RTL also zwanghaft an dem Bißchen festhalten, das man hat, das wenigstens noch ein bißchen quotenträchtig scheint. Vorbei die Zeiten, da es unter Zietlows Leitung hieß: „Der Schwächste fliegt“.
Inzwischen wird offenkundig jeder gebraucht, um den Sender auf Kurs zu halten. Fast jeder. Nur Marc Conrad wurde entfernt als Chef.