Usher: „Yeah“
Huch, die Zeit rast schon wieder so. Da gibt es zum einen noch Klingelton-Spots, in denen ein altertümliches Telefon beim Schellen gezeigt und knuffig angemerkt wird, das sei ja „von gestern“. Andere Spots sagen dann in ähnlichen Worten, dass sogar der fortschrittliche Realtone-Klingelton nur noch ein schlappes Retrophänomen sei, weil es jetzt auch Videoclips fürs Handy gibt. Kann das sein? Kann das schon cool sein, obwohl es zum Zeitpunkt der ersten Spot-Ausstrahlung noch keiner hat? So ein Schulhof-Ding, das Erwachsene nicht verstehen?
Man muss sich nur mal bei einem Glaserl Wein anhören, wie zum Beispiel „Yeah“ von Usher – einer der beliebtesten Klingeltöne des Jahres – eigentlich klingt, wenn ein Mobiltelefon es spielt. Der erschwingliche polyphone Ton: wie die Version eines miesen Alleinunterhalters, der nah am Heringssalat das Keyboard aufgebaut hat. Wer hat denn nun die 164 Millionen Euro bezahlt, die laut Vorjahresstatistik in Deutschland für Bimmeleien ausgegeben wurden? Die Welt müsste längst ein vielstimmiges Vogelkonzert sein, doch auf der Suehe nach empirischen Beweisen kann man froh sein, aus den Handtaschen älterer Damen ein kleines „Für Elise“ zu erhaschen. Und wenn in der Fußgängerzone die coole Socke neben einem tatsächlich mal angerufen wird, hat sie meistens – peinlich berührt – das Gespräch angenommen, bevor man erkennen konnte, welchen von Nellys 36 aktuellen Ringtones sie sich denn runtergeladen hat.
Die Umsatzzahlen sind echt, die Klingeltöne zögern den Tod der Musikindustrie noch etwas hinaus, finanzieren die Johnny-Cash-CDs mit. Und wenn das mit Viacom und Viva so weitergeht, kann man die Hits bald eh nur noch im Werbeblock hören. Trotzdem sagt uns das Gefühl, dass in Wirklichkeit die Spots das neue Medium sind, dass es die Töne selbst gar nicht gibt, dass die angegebenen Nummern zu toten Telefonen führen und nur der Vorwand sind, um die Werbejingles noch ein paar mal in Schleife zeigen zu können, die herrlich umständlichen Erklärungen, das Nilpferd, die Ratte und den irren Frosch. Wie bei den 0190-Spots: Die Frauen mit den großen Brüsten kriegt man auch nicht wirklich.