Der Häuptling bleibt im Sattel
Die Welt des Willy de Ville ist noch immer rosenrot durchtränkt von der Romantik des fahrenden Musikers - bis Kraftwerk bei ihm anrufen
Seine Stimme mag inzwischen genauso abgewetzt sein wie der Anzug, den er beim Interviewtermin in Köln trägt – dennoch hört man diesem Besucher aus der Vergangenheit auf seinem neuen Roots-Album „Crow Jane Alley“ gerne zu, wenn er sich mit der bereits auf „The Willy DeVille Acoustk Trio In Berlin „erprobten Melange aus Zurückhaltung und Lässigkeit von Blues, Cajun oder Südstaaten-Soul inspirieren lässt und weiterhin auf die ausgeprägte Rhythmik setzt, die vor Jahren sogar deutsche Elektronik-Pioniere faszinierte.
„Eines Tages sagte mir der A&R-Chef von EMI Capitol in Paris, dass mich Kraftwerk unbedingt sprechen wollten. Also telefonierte ich mit – ich glaube, es war Florian, und er meinte immer wieder: ,Du musst unbedingt mehr auf diese primitiven Rhythmen zurückgreifen!‘ Völlig bizarr, dass ein Typ von dieser unglaublich elektronischen Band meine furchtbar simpel gestrickten Bluessongs mit den ausgefallenen Rhythmen mochte! Das lag vermutlich daran, dass er so etwas mit seinen Maschinen nicht hinbekam.“
Deshalb verzichtet De Ville bis heute, wo immer es geht, auf modernes Brimborium. Mehr noch: Selbst die Arrangements sind für ihn zweitrangig. „Das Wichtigste ist, dass jeder Song funktioniert, wenn ich ihn auf der Bettkante sitzend mit der Akustikgitarre spiele. Genau dieses Gefühl will ich mit meinen Platten einfangen.“ Kein Wunder, dass er besonders gerne an die Aufnahmen zu „Victory Mixture“ zurückdenkt. „Die Platte haben wir bis auf den Gesang live in einem alten 50er-Jahre-Studio aufgenommen – und das fühlt man auch. Es hat diese Wärme und diese Echtheit, die dir vermitteln, was für eine gute Zeit wir bei den Aufnahmen hatten. So etwas mit moderner Technologie hinzubekommen, ist sehr schwierig.“
Deshalb ist ihm vor allem wichtig, dass sich die Musiker blind verstehen.
Sein langjähriger Leadgitarrist Freddie Koella verabschiedete sich zwar vor anderthalb Jahren, um sich Bob Dylans Tourband anzuschließen, doch die wichtigsten Musiker seiner Band halten ihm seit zwei Jahrzehnten die Stange. „Ich mag es nicht, wenn Musiker kommen und gehen. Ich möchte, dass die Band wie eine Familie oder eine Motorrad-Gang ist.“
Dass DeVille die Loyalität seiner Musiker so am Herzen liegt, hat vermutlich auch mit seiner eigenen Ruhelosigkeit zu tun. New Orleans, Paris, Barcelona, Amsterdam – DeVille fühlt sich an vielen Orten heimisch, sagt aber auch, Städte seien wie Frauen: Mehr als eine Romanze würde ihn mit keiner verbinden. „Ich wünschte, ich hätte ein wirkliches Zuhause. Derzeit wohne ich wieder in New York, aber eher zufällig. Da ich 20 Jahre nicht mehr dort war, kennt mich auch niemand mehr“, erzählt er und fügt lachend hinzu: „Wenn man bedenkt, dass ich eine Zeit lang als Papst von Greenwich Village galt, war das am Anfang schon ein kleiner Schock für mein Ego!“ Auch das: überlebt.