Rare Trax
Anfang der 60er Jahre hatten sie gerade den Blues entdeckt, doch schon wenig später wurden britische Musiker mit einem weiteren Einfluss konfrontiert, der zur Bodenständigkeit des Blues so gar nicht passte: Psychedelia. Der Zwitter sollte bizarre Blüten treiben.
Auch wenn Rock’n’Roll immer auch auf dem Blues basierte, dauerte es bis in die zweite Hälfte der 60er, bis sich der Bluesrock voll entwickelt hatte. Vor allem in Großbritannien, wo vor allem zwei Elemente des Blues in den Rock übernommen wurden: drei Akkorde und instrumentale Improvisation. Das Ganze Rock’n’Roll-typisch verstärkt. Durch die klassische Triobesetzung von Bands wie Cream und das damit verbundene Fehlen einer Rhythmusgitarre rückten Bass und Schlagzeug weiter in den Vordergrund. Die Musik wurde so wuchtiger und härter und entwickelte sich mit der Zeit in Richtung Hard- und Prog-Rock.
Die Entstehung von STEAMHAMMER zeigt die Stimmung in England Mitte bis Ende der 60er Jahre. Mitglieder verschiedener Folk- und Bluesformationen waren auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und fanden 1968 zusammen, um sogleich die ersten Livegigs als Band des alten Bluesmanns Freddie King zu spielen. Für ihr selbstbetiteltes Debütalbum von ’69 (manchmal auch unter den Titeln „Reflections“ oder Junior’s Wailing“ geführt) mischten sie eigenes Material mit verschiedenen Standards.
Die Mitglieder von JUICY LUCY kamen aus einer ganz anderen Richtung: Sänger Ray Owen, Steel-Gitarrist Glenn „Ross“ Campbell und Keyboarder Chris Mercer spielten zuvor schon bei der in Insiderkreisen verehrten Garage-Band The Misunderstood zusammen. Ihre erste Single, das Bo Diddley-Cover „Who Do You Love“ schaffte es 1960 gar in die britischen Top 20, das selbstbetitelte Debütalbum aus dem gleichen Jahr, von dem wir hier „She’s Yours/She’s Mine“ hören, brachte es immerhin zu einem Kurzaufenthalt in den Top 40.
Auch die 1967 um den Gitarristen und Sänger Alvin Lee gegründete Band TEN YEARS AFTER konnte zunächst mit ihrem Debüt keinen bleibenden Eindruck hinterlassen – ihren Durchbruch hatten Ten Years After nach ihrem furiosen Set beim Woodstock Festival, bei dem sie unter anderem eine neunminütige flinkfingrige Version des Bluesstücks „I’m Going Home“ spielten. Das nachfolgende Album „Ssssh“ von 1969 gehört sicher zu den besten britischen Bluesrockalben dieser Ära und zeigte Alvin Lee auf der Höhe seiner Kunst. Ihre Version von Sonny Boy Williams Klassiker „Good Morning Little Schoolgirl“ (mit verändertem Text) lässt keinen Raum mehr für die Zweideutigkeiten des Originals.
Mit einer ähnlichen Wucht wie Cream ging das Trio BAKERLOO zu Werke. 1967 gegründet, entwickelten sie sich schnell zu einer exzellenten Liveband und waren im Oktober Die frühen Meilensteine des britischen Bluesrock
1968 auch als Support bei Led Zeppelins London-Debüt dabei. Auf ihrem selbstbetitelten Debüt von ’69 präsentieren sie Jazz-inspirierten elektrischen Blues mit harten Gitarren.
Jeff Beck schien sich seiner Sache mit dem zweiten Album seiner JEFF BECK GROUP, „Beck-Ola“ von 1969, nicht so ganz sicher zu sein. Die hohe Proliferation von härteren Gitarrenbands wie Cream und Led Zepplin ließ ihn wohl zweifeln, ob es noch besonders originell sei, in die gleiche Kerbe zu schlagen. Anders lassen sich die sleeve-notes von „Beck-Ola“ nicht erklären. „It’s almost impossible to come up with anything totally original. So we haven’t“, schreibt er da. Doch die damals sensationelle Stimme von Rod Stewart und die Improvisationskünste des Meisters machten „Beck-Ola“, gerade von der EMI wiederveröffentlicht, zu einem Meilenstein.
STONE THE CROWS kamen aus Schottland und hatten wohl schon daher mehr Soul ab die englischen Kollegen. Vor allem hatten sie aber die großartige Sängerin Maggie Bell. Der Erfolg kam erst, als sie auf dem dritten Album, „Teenage Licks“ von 1971, den Blues zugunsten von Rock und Folk zurückführen. Besonders das Zusammenspiel von Bells Stimme und Les Harveys Gitarre war grandios. Kurz nach Veröffentlichung des Albums starb Harvey tragisch durch einen elektrischen Schlag bei einem Gig an der Swansea University.
Zusammen mit seinem Bruder Steve am Schlagzeug, dem Bassisten Arthur Grant und dem kurzzeitigen Pretty Things-Gitarristen Victor Unkt gründete Broughton ’68 in Warwick die EDGAR BROUGHTON BAND, die’s bald ins swingende London zog, wo sie ihr gleichnamiges Debüt aufnahm (auch gerade von EMI wiederveröffentlicht). Ihr elektrischer Blues erinnerte durch Broughtons zerschossene Stimme an Captain Beefhearts Debüt „Safe As Milk“.
HEAVY JELLY nahmen 1969 zwei Singles mit zwei line-ups auf. Zwischen ’69 und ’70 gab es insgesamt sieben verschiedene Besetzungen, zu denen u.a. auch Jim Capaldi und Chris Wood von Traffic gehörten. 1970 machte sich schließlich eine Besetzung, zu der unter anderem der frühere Apple-Künstler Jackie Lomax und Ex-Animals-Schlagzeuger Barry Jenkins gehörten, an die Aufnahmen des ersten Albums, das allerdings niemals in voller Länge erschien.
Als KILLING FLOOR 1969 in die Pye Recording Studios im Londoner Westend gingen, um ihr selbstbetiteltes Debüt aufzunehmen, begannen die Sessions mit einem Schock. Man erklärte der Band, dass sie aus rechtlichen Gründen nur Eigenkompositionen aufnehmen dürfte. Ein recht großes Problem, denn in den vorhergehenden sechs Monaten hatte sich die Band live vor allem durch den kompletten Chicago Blues gespielt. Schließlich verschwand Sänger Bill Thorndycraft für einige Stunden auf der Toilette, wo er alle Songtexte so umschrieb, dass sie als Originale durchgingen. Mick Clarkes Gitarre sorgte schließlich dafür, dass die Tracks auch äußerst originell und eigenständig klangen.
Gitarrist und Sänger Tony McPhee benannte seine Band nach einem John-Lee-Hooker-Song. Mitte der 60er begleiteten die GROUNDHOGS Hooker auch bei einigen seiner UK-Shows und nannten sich zeitweise dann sogar John Lee’s Groundhogs. ihr erstes Album „Scratching The Surface“ von 1968 war noch stark dem Blues verpflichtet, mit der Zeit geriet dieser aber immer härter und besonders erfolgreich waren sie Anfang der 70er mit außer sich geratenem, schwindelerregendem Post-Bluesrock, der sie sogar in die britische Charts-Show „Top Of The Pops“ führte.
PETE BROWN, Co-Autor des Cream-Hits „Sunshine Of Your Love“, gründete seine Formation PIBLOKTO! nach seinem Rauswurf bei den Battered Ornaments. Nach ihrem ersten, relativ leichtgewichtigen Album „Things May Come And Things May Go But The Art School Dance Goes On Forever‘ geriet der Nachfolger „Thousands On A Raft“ aus dem Jahr 1971 wesentlich härter. Auf den „Rare Trax“ gibt’s ein Outtake dieses Albums.