Die Zukunft ist klein – aber oho!
Das Haldern Pop-Festival wagt am 6. und 7. August erneut den Spagat zwischen großen Namen und familiärer Atmosphäre
Es ist eine Menge passiert am Niederrhein, seit man letztes Jahr zur 20. Jubiläums-Ausgabe des Haldern-Pop-Festivals Größen wie Patti Smith, Evan Dando, The Cardigans und Bright Eyes aufgeboten hatte. Als hätte man den letztjährigen Leitsatz „Es schließt sich der Kreis, wenn die Richtung stimmt“ in die Tat umsetzen wollen, standen 2004 für die Organisatoren zum einen die Rückbesinnung auf alte Werte, zum anderen aber auch das Beschreiten neuer Wege im Vordergrund.
So wurde mit Haldern Pop Recordings ein Label aus der Taufe gehoben, mit dem über das Festival hinaus junge ambitionierte Künstler gefördert werden sollen. Die Erstveröffentlichung stammt von den Dänen Under Byen mit einem Mitschnitt ihres faszinierenden Festival-Auftritts in Haldern aus dem letzten Sommer, geplant ist zudem ein Album der Newcomer Amphibie, die sich dieses Jahr dem Halderner Publikum schon vorab auf der Bühne vorstellen werden. Passend zu diesen Grassroots-Aktivitäten lautet das Motto des zweitägigen Festivals auf dem Alten Reitplatz in Haldern: „Die Zukunft ist klein“. Das kann man vielleicht als versteckten Hinweis darauf werten, dass die Veranstalter bemüht waren, auch weniger bekannten Acts wieder ein Forum zu bieten. Sicher ein Verweis auf die eigene Geschichte. Schließlich kam das Festival in der Provinz vor mehr als zwei Jahrzehnten eher zufällig zustande. Glaubt man der Legende, standen am Anfang 14 Messdiener und ihre zwei Oberministranten auf der Suche nach „unbedachter“ Vergnügung. Wenige Jahre nach der ersten Fete im kleinen Kreis standen 1984 bei der Premiere des „richtigen“ Festivals immerhin schon die britischen Wave-Pioniere The Chameleons auf der Bühne – ein erster Achtungserfolg auf dem Weg zu einer der inzwischen meistgeliebten Veranstaltungen der an Höhepunkten wahrlich nicht armen Freiluft-Musik-Saison.
Der Charme des liebenswerten Selfmade-Open-Airs haftet dem Festival auch heute noch an, doch alleine damit hätte man in Haldern kein Event von internationalem Ruf etablieren können. Neben ihrem ausgeprägten Gespür für gute Musik auch abseits von Hype und Trend können die Veranstalter seit einigen Jahren auf gezielte Sponsoren-Hilfe bauen, die auch 2004 sicherstellt, dass das Line-up des am 6. und 7. August stattfindenden Festivals wieder einiges zu bieten hat, ohne dass der Idealismus der Macher der größeren finanziellen Freiheit geopfert worden wäre. Dem willkommenen Understatement (das das Festival auch im 21. Jahr umweht) zum Trotz haben die Verantwortlichen wieder ein ausgezeichnetes Programm zusammengestellt, bei dem die Auftritte alter Helden ein ebenso wichtiger Bestandteil sind wie die Möglichkeit, viel Neues zu entdecken.
Die irischen Newcomer Hai beispielsweise, die bereits vor einigen Wochen im Rahmen eines Showcases zur Festival-Pressekonferenz am Niederrhein mit ihrem 60s-Retro-Pop zu gefallen wussten. Ähnliche Vorbilder wie die Iren haben auch The Bees, die nach den Aufnahmen ihres aktuellen Albums „Free TheBees“ am liebsten gleich das gesamte 60er-Jahre-Inventar des Abbey-Road-Studios mit auf die heimische Isle Of Wight genommen hätten. Den Ruf als next big thing in Großbritannien teilt sich die Band mit einem weiteren Haldern-Geheimtipp:
The Zutons aus Liverpool. Keane sind dagegen schon jetzt mit ihren Hits JEverybody’s Changing“ und „Somewhere Only We Know“ auch aus deutschen Radioprogrammen kaum mehr wegzudenken.
Dass die Verantwortlichen in Haldern seit Jahren eine besondere Affinität zu Bands aus BeNeLux und Skandinavien haben, ist ebenfalls längst kein Geheimnis mehr, und so geben sich auf dem Alten Reitplatz auch die Schweden-Rocker The Soundtrack Of Our Lives und unser aller Liebling Nicolai Dunger mit seiner elektrisierenden Band die Ehre. Als besonderes Schmankerl gibt es die Rückkehr der belgischen Kultband dEUS zu feiern. Als Headliner des Freitags kehrt mit der britischen Vorzeige-Pop-Band Starsailor ein Art an den Niederrhein zurück, der hier schon vor drei Jahren für viel Furore sorgte. Höhepunkt des Eröffnungsabends ist natürlich Adam „Album des Jahres“ Green, der seit dem grandiosen „Friends Of Mine“ Pop-Intellektuelle und kleine Mädchen gleichermaßen auf seiner Seite weiß.
Für das große Finale am Samstag stehen zunächst die Kings Of Leon bereit, bevor sich Modfather Paul Weller die Ehre gibt, um (nicht nur) sein aktuelles Cover-Album zu präsentieren. The Divine Comedy spielen zwar im August eine komplette Club-Tournee, aber nur in Haldern werden Neil Hannon und die Seinen ihren schwelgerischen Breitwand-Pop mit einem 20-köpfigen Orchester präsentieren. „Die Zukunft wird klein“? In Haldern wohl erst nach diesem großen Wochenende.