Simpels Traum
Mike Skinner alias The Streets ist der beste britische HipHopper und ein Dichter, der sich dumm stellt
Wir hassen es, wenn unsere Freunde erfolgreich werden. Crispy ist ein alter Freund von Mike Skinner aus Birmingham, und er erzählt die Geschichte so: Mit sechs hörte Skinner HipHop, konvertierte zum Indie-Rock. Mit 16 nahm Crispy ihn in House-Clubs mit, schenkte ihm ein gelbes Lacoste-Hemd, weil die Leute immer peinlich fragten, ob sein Freund Mike eigentlich nie die Kleidung wechseln würde. Als Skinner vom Selbsterfahrungs-Urlaub in Australien heimkam, hatten Crispy und die anderen den unvorstellbaren 2Step-plus-HipHop-Sound erfunden, den Skinner (der Control-Freak) ihnen wegnahm und das berühmte Album „Original Pirate Material“ daraus machte, you ‚re listening to The Streets.
Das steht in der Streets-Biografie, denn Skinner hat einen beleidigten Chatforum-Beitrag von Crispy ungekürzt auf seine offizielle Website kopiert. „Vieles, was er über mich schreibt, würde ich nie zugeben. Aber es stimmt“, sagt Skinner, obwohl er nie die Ideen der Freunde geklaut habe. Wäre aber blöd gewesen, ausgerechnet die Passage im Text wegzulassen.
Das entspricht genau der Komödienrolle (hundeäugiger Katastrophist, Narr mit überraschender Gabe, seine Lebenswelt zu verstehen und zu beschreiben), die er für sich selbst in seine Stücke schreibt. „A Grand Don’t Come For Free“ist wieder ein Wohlfühl-Album für weiße nicht-ganz-so-beautiful-people, Skinner spielt hier in einer Slapstick-Soap-Opera über einen kaputten Fernseher, einen Pärchen-Betrugsfall und 1000 englische Pfund („a grand“), die verloren und wiedergefunden werden. „Gute Rapper sind clever, weil sie Action und excitement an die Kids verkaufen und sich zu dem Zweck ein klein bisschen dümmer darstellen, als sie sind.“ Skinner, 25, redigiert und ändert jeden Text oft monatelang, er spricht mit ernsthaft in Falten gelegter Stirn, trotzdem kommt man sich beim Gespräch mit ihm manchmal vor wie ein Berufsberater, der einem beklommenen Schulabbrecher unangenehme Fragen stellt. Klar sei er ein Nerd, sagt er. „All die Leute, die es in Musik, Film oder Journalismus weit bringen, sind von ihrer Kunst besessen und werden dafür in der Schule gehänselt. Nach der Schule, wenn sie ihrem Ruf folgen, sind sie plötzlich die besten, bekommen die tollen Klamotten und die Mädchen. Man muss ein Nerd sein, um später cool zu werden.“
Den Uncoolen hat er mit den Streets-Stücken in ewige Form gegossen. Am besten könne er halt Bier trinken und über die Welt nachdenken, erklärt Skinner sein Programm. Stellt sich blöd. Und benutzt für „betrunken“ das Wort „inebriated“. Wahrscheinlich müssen auch daheim viele Leute „inebriated“ nachschlagen, um den Simpel zu verstehen.