Kein Klavier, kein Klavier
Die Vergleiche mit Norah Jones stören Katie Melua, aber so übel ist die Rolle als Blues-Jazz-Mädchen des Monats nicht
Dass Katie Melua die Nase davon voll hat, dass ihre Musik fortwährend mit der von Norah Jones verglichen wird, kann man verstehen. Seit ihr Debütalbum „Call Off The Scarch“ überraschend an der Spitze der britischen Charts landete und die gerade mal Volljährige zum Star wurde, ist eben das die meistgestellte Frage: Sind Sie die neue Norah Jones? „Besonders schrecklich ist, dass die Leute immer so eine Art künstliche Rivalität aufzubauen versuchen“, stöhnt Melua, „dabei ist unsere Musik doch nun wirklich sehr unterschiedlich. Außerdem muss man in schlechten Zeiten wie diesen zusammenhalten.“
Das mit der unterschiedlichen Musik stimmt: Im Gegensatz zu Jones‘ Songwriter-Popjazz hält es Melua mit klassizistisch gecroontem Bar-Jazz und Blues. Doch verständlich ist auch der Argwohn, hinter Melua stehe in erster Linie ein Marketingplan, die Gunst der Stunde. „Als wir die Platte begannen, war Norah Jones noch kein Thema“, sagt Melua, „erst gegen Ende der Produktion, als alle Major-Labels abgesagt und wir uns für ein kleines Independent-Label entschieden hatten, begannen sich die Türen zu öffnen.“
Melua wurde 1984 in Georgien geboren, dann siedelte die Familie nach Belfast und später nach London um. Mit 16 begann sie ein Studium an der Brit School of Performing Arts, wo man derzeit in erster Linie lernt, Beyonce zu sein. Und bei einer der regelmäßigen Auditions fand Produzenten-Veteran Mike Batt in Melua genau die Sängerin, nach der er gesucht hatte. „Ich dachte nicht: ,Wow, das ist es'“. zuckt sie die Schultern. „Ich kannte den Mann ja gar nicht.“
Batt, der Andrew Lloyd-Webber und Vanessa Mae in der Kundenkartei hat, einst für Art Garfunkel das Hasenlied „Bright Eyes“ schrieb und als Sänger kleine Hits hatte, inszenierte für Melua eine softgespülte Klangkulisse, die einen an lauter alte Jazz- und Blues-Chanteusen denken lässt und jetzt in ganz Großbritannien auf gediegenen Festivals live präsentiert wird. „Ich habe erst gedacht, zu meinen Konzerten würden nur ältere Leute kommen, so ab 30“. sagt Katie Melua, „tatsächlich ist mein Publikum aber in meinem Alter – und hat also offenbar trotzdem Interesse an echten Songs und richtigen musikalischen Tugenden. Wenn das meine Gemeinsamkeit mit Norah Jones ist, dann werde ich mich nicht beschweren.“