Der Wildeste des Haufens
Der Foto-Wälzer "Passion & Poetry" enthält grandioses Bildmaterial zu den Filmen von Sam Peckinpah - und leider armselige Texte
Die einzige Poesie in diesem Buch steht im Vorwort des Schauspielers Vadim Glowna, der 1976 eine Nebenrolle in Peckinpahs Gemetzel „Steiner – Das eiserne Kreuz“ spielte. „Wir hörten meist gegen 19, 20 Uhr auf zu drehen. Dann im Hotel ging er an die Bar, trank ein, zwei Whisky und verabschiedete sich in seinen Bungalow. Da war es etwa 20 Uhr. Er nahm einige Downer und ging dann ins Bett. Gegen Mitternacht wachte er wieder auf, nahm jede Menge Upper und machte die erste Flasche auf. Dann bereitete er den nächsten Drehtag vor und kam gegen zwei Uhr ins Hotel, bereit, Türen einzutreten. (…) Morgens um neun Uhr Drehbeginn. Und Peckinpah öffnete sich die dritte Flasche, meist Wodka oder Slivovitz.“ Damals wollte man Sam Peckinpah in Hollywood schon keinen Film mehr anvertrauen, denn der gerade 50-jährige, aber längst notorische Regisseur bürgte für Querelen, Budget-Überziehungen, das Kujonieren von Schauspielern und das Entwenden von gefilmtem Material, das er sich nicht aus der Hand nehmen lassen wollte. Nebenbei hatte der Trinker auch noch das Kokain entdeckt, das ihn vom Fusel abhalten sollte. Bei „Convoy“, seinem vorletzten Film, könnt er kaum noch den Auflauf von Lastwagen dirigieren und verlor den Überblick. Danach ließ man Peckinpah nur noch den wirren Thriller „The Osterman Weekend“ drehen, einen traurigen Abschied für den radikalsten Regisseur der 60er Jahre.
Packinpah gilt noch heute als Sexist, Frauenfeind, Gewaltverherrlicher, Sadist, Pornograph, Menschenverächter, Zyniker, Westernzerstörer und, immerhin, Pionier des Action-Kinos. Was er zweifellos auch alles war. Nun behauptet Mike Siegel, dem der Prachtband „Passion And Poetry – Sam Peckinpah In Pictures“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 29,90 Euro) zu danken ist, er sei „ein liebevoller und loyaler Freund“ gewesen und, nun ja, „ein sehr komplizierter Mensch“ mit „Hang zur Hypochondrie“ und außerdem „manisch-depressiv“. Beste Voraussetzungen also für eine Filmregisseur, der die Logistik einer Produktion im Griff behalten muss.
Nun ist Mike Siegel mit Sicherheit ein Experte für Peckinpahs Filme, dreht auch an einem „abendfüllenden Film“ über ihn und hat bunte Plakate und Zeitschriftentitel aus den exotischsten Ländern gesammelt, die im Anhang abgebildet sind. Wunderbar sind die Szenen- und Set-Fotos von „Major Dundee“, „The Wild Bunch“ und „The Getaway“ (die junge Senta Berger, Mario Adorf, Steve McQueen, William Holden!).
Doch mit der Biografie ist Siegel ebenso überfordert wie mit der Filmanalyse: „Sie altern nicht, sie reifen wie guter Wein“, schreibt er über Peckinpahs Filme tatsächlich, obwohl ganz genau das Gegenteil zutrifft, wie man an der muffigen B-Film-Asthetik von „Straw Dogs“, „Alfredo Garcia“ und „Steiner“ erkennen muss. Auch die virtuose Montage nicht nur von „Wild Bunch“ verdeckt nicht die Schlampereien der Inszenierung, die bizarre Psychologie und das Haarsträubende der Plots. Dass keine Frau je einen Film von Peckinpah mochte, muss ja kein Nachteil sein. Doch ein wenig kritisches Geschäft wäre bei Siegels ohnehin knappen Filmnotizen notwendig gewesen. Aber die Untertitel zu den Fotos sind lustig wie im Familienalbum.