Die Balladen-Britpopper Lowgold stürzten aus den Top 40 direkt ins Wartezimmer vom Sozialamt – ihre Comeback-Platte heißt „Welcome To Winners“
Zugegeben, ich habe es nicht gewagt, dem Lowgold-Sänger Damen Ford zu sagen, dass ich die neue Platte seiner Band für eine der jammerigsten, einfallslosesten und überflüssigsten Gitarren-Platten des Jahres halte. Nicht, weil ich Angst hatte, er würde mich verprügeln (es war nur am Telefon), sondern weil ich die Entstehungsgeschichte des Albums gelesen hatte.
Folgt man diesem Bericht, dann muss “ Welcome To Winners“ eine schwierige, langwierige Liebesarbeit sein. Und man sagt Leuten auch nicht offen, dass ihr eben geborenes Kaiserschnittkind blitzhässüch ist. Andererseits wäre es Ford vielleicht egal gewesen. Er hat es ja gelernt, auf die bösen Meinungen zu pfeifen und die guten ernst zu nehmen.
Das war nämlich so: Vor knapp drei Jahren kam das erste Album von Lowgold, als heißer Tipp angekündigt, in die britischen Top 40, verkaufte immerhin 40 000 Stück auf einem Indie-Label, warf noch eine erfolgreiche Single ab. Das verdiente Geld kam bei der Band nie an, weil ihre Firma Nude Records alles benötigte, was reinkam. Als Nude Ende 2001 die Telefone ganz ausstöpselte, waren für Lowgold auch die selbst ausgelegten 85 000 Pfund verloren, und da eine solche Pleite in der Branche wie ein frisches Brandzeichen stinkt, fanden sie so bald nichts Neues. Und sahen, wie ihre ehemaligen Tour-Buddies Coldplay mit der prinzipiell gleichen Musik – dem larmoyanten, verhallten Post-U2-Balladen-Pop – die weltweite Nummer zwei wurden (hinter den echten U2). „Wir waren nicht neidisch, weil Coldplay schon immer eine Nummer größer waren“, meint Fort). „Ihr Durchbruch kam zur gleichen Zeit wie unser Bankrott. Wir hatten damals andere Sorgen.“
Darren Ford würde das nicht so sagen, wenn die Sorgen nicht vorbei wäre. Das fröhliche Ende kam in Gestalt des Labels Sanctuary, doch mehr als früher versucht die Band nun zu sparen, hat in Portland bei den Album-Aufnahmen kostenlos zu Hause beim Produzenten Tony Lash übernachtet und will ein billiges Video drehen, aber nur vielleicht. Die Songtexte, zum großen Teil während der Krise entstanden („This journey’s too long/For one set ofheels“), kann man als Beileidsbekundungen an sich selbst lesen, Ford mag das nicht: „Das Schlimmste sind Bands, die immer jammern, wie schlimm alles ist. Wir sind nicht so. Wir sind viel positiver eingestellt. Wenn wir uns trennen würden, dann nur, wenn es unsere Entscheidung ist und nicht die eines Steuereintreibers.“ Und schließlich erinnern sich zu Hause in England genug Leute an sie, und auch bei uns müssen die Britpop-DJs irgendwas zum Auflegen haben.
Bei Coldplay soll es doch gerade eine Krise geben. Das Herbstblatt wendet sich.