Das walisische Elektro-Trio Kosheen lässt sich nicht mehr auf einen Stil festlegen – und nimmt dafür wütende Fans gern in Kauf
Noch bevor Kosheen ihr zweites Album, „Kokopelli“, draußen der Welt präsentierten, ging ein Raunen durchs Netz. Augenzeugen hatten die Band bei einigen vorab gespielten Shows gesehen und entsetzt einen Stilbruch festgestellt. Rock! Noch mehr Gitarren! Verrat! Die Elektro-Szene war geschockt. „Alles Unsinn“, wehrt Sängerin Sian Evans ab, „wir haben schon immer mit Gitarren gearbeitet und die beiden Welten nicht strikt getrennt.“ Das indes wissen ja auch die Unkenrufer. „Man entwickelt sich halt“, zuckt Sian mit den Schultern, „und außerdem haben wir schließlich nie ein Gesetz verabschiedet, das uns auf eine stilistische Richtung festlegt.“
Nun kennt man die Diskussion zwischen entwicklungswilligen Künstlern und jenen Zuhörern mit der Mentalität von Schrebergärtnern leider zur Genüge, und auch im Falle Kosheen lohnt sich das Geschrei ebenso wenig wie Headünes mit Ausrufezeichen. „Das alles folgt nur einem finsteren Plan, den ich schon vor langer Zeit ausgeheckt habe“, witzelt Sian, deren Singer/Songwriter-Background für die musikalische Kursänderung wohl verantwortlich ist, „eben waren wir noch ein Dance-Projekt mit Loops und so, und schwups – mutieren wir in eine Kopf schüttelnde ‚666‘ brüllende Metalband mit schwarzen Klamotten und Nietenarmbändern. Ihr werdet schon sehen…“
Solche Sachen sagt Sian Evans oft: mit derb-charmantem Humor steuert die Waliserin zielstrebig auf jede beißende Pointe zu – und hat so viel Lust aufs ernste Musikgespräch nicht. Stattdessen erzählt sie lieber von ihrem innig geliebten halbwüchsigen Sohn, mit dem sie tatsächlich einmal ein knappes Jahr in einem Tipi gelebt habe, und davon, dass sie bald ein kleines Haus in Wales kaufen wolle, vornehmlich mit einem netten Waliser drin. Vielleicht jedenfalls.
„Wir sind seit unserem ersten Album praktisch durchgehend auf Tournee gewesen – das prägt dich in Bezug auf das Songwriting natürlich“, rudert Band-Elektriker Markee Substance zum konventionellen Gespräch zurück, „man entwickelt automatisch andere Strategien beim Schreiben, um etwas zu finden, was auf der Bühne funktionieren könnte.“ Und wohl auch auf der Platte.
Auf „Kokopelli“ verlassen sich Kosheen jedenfalls tatsächlich auf das Band-Kollektiv, auf klassisches Songwriting, düstere Wave-Rock-Gitarren sowie den freilich noch immer präsenten Elektro-Anteil, und zusammen wird meistens ein Schuh draus. „Wer uns zuhören will, wird sich auf Neues einlassen müssen“, sagt Sian stolz und Kumpel Markee nickt beipflichtend, „in dieser Geschichte fehlen noch viele Kapitel.“