Der Interviewer kam gesund heim, Gott sei Dank. Was nicht heißt, Kiffer und Zänker Tricky sei nett geworden – obwohl seine Platte so klingt
Dunkle Wolken über dem Hyatt. Die ganze Nacht lang hat sich Adrian Thaws schlaflos in den teuren Laken des Berliner Luxus-Hotels gewälzt Die Laune des Mannes, den die Welt als Tricky kennt, ist nun auf einem gefährlichen Tiefpunkt. Fototermine wurden bereits gestrichen -jetzt stehen die Interviews auf der Kippe.
Tricky gilt als Querkopf- nicht nur was seine zwischen Pop, HipHop und Rock oszillierende Musik angeht: Ein Redakteur von „Max“ musste unlängst einen Promotermin abbrechen, weil der Künstler sich brüskiert fühlte und den frechen Frager aus dem Fenster zu werfen drohte. Andererseits reißen sich Leute wie Björk, PJ Harvey und Elvis Costello um eine Zusammenarbeit. Selbst für Madonnas neues Album sollte Tricky einen Track produzieren. Leider hatte der Neubürger von LA. dazu keine Lust. Ein möglicher Grund dafür ist „Vulnerable“, neustes Album des 38jährigen. Die von der jungen Italienerin Gonstanza Francavilla gesungenen Lieder klingen ungewohnt poppig, haben dennoch Melancholie und Hang zur Dunkelheit, Tricky-typische Züge.
Dunkel ist auch das Hotelzimmer, als ich es – zwei Stunden nach der verabredeten Zeh – betreten darf. Wie ein Raubvogel kauert der eher kleine Musiker hinter einem Schreibtisch. Überall im Raum liegen Klamotten, Bücher, CDs. „Manchmal rede ich mit der Presse, manchmal habe ich keine Lust dazu“, eröffnet Tricky das Gespräch. Er wirkt inzwischen halbwegs gut gelaunt, aufgekratzt sogar, auch wütend. Wer allem über die Plattenbranche: „Letztes Jahr hab ich mich mit einem A&R von Virgin getroffen. ‚Du bist talentiert, wir würden dich gerne unter Vertrag nehmen. Aber wir möchten nicht, dass du unsere Mitarbeiter beschimpfst‘, hat er zu mir gesagt. Der einzige Grund, warum ich diesem Kerl keine geknallt habe, war meine Vernunft.“ Mit seinem aktuellen Label Epitaph ist Tricky allerdings sehr zufrieden, nicht zuletzt, weil gleich beim ersten Meeting zwei Säckchen mit Gras auf dem Tisch lagen.
Auch während des Interviews dreht der ehemalige Dealer eine Tüte nach der anderen. Die meisten Leute mögen vom Kiffen müde und friedlich weiden -Tricky wird von dem Zeug immer aufgekratzter und wütender: „Meine Musik wird einfach nicht im Radio gespielt“, behauptet er. „Ich kann mit der poppigsten Platte kommen – sie läuft nicht. Es ist mein Name, das, wofür ich stehe. Ich bin gefährlich.“ Und wenn es mit der neuen, eingängigen Platte vielleicht doch klappt? „Dann würde ich ein Radio-Interview geben und sagen: Alles, was ihr spielt, ist Scheiße!“ Natürlich hat Tricky auch etwas gegen Bush und Blair, und er beklagt, dass es in der Musikszene niemanden gebe, der jetzt „die Seelen der Menschen berührt“. Und wenn er selbst die Initiative ergreifen würde? Tricky nimmt noch einen Zug: „Mit Polly Harvey habe ich neulich schon lange über das Thema geredet. Die Platte würde ich nicht ,Fuck Bush‘ nennen, sondern ‚The End Of Democracy‘-EP.“ Ob man Tricky, der zuhause eine Handfeuerwaffe und eine Maschinenpistole bereit hält, einen Pazifisten nennen sollte? Besser nicht. Denn als die Sprache auf seinen alten Kumpel 3D von Massive Attack kommt, der wie Pete Townshend in einen Kinderporno-Skandal verwickelt war, kennt sein Zorn kein Halten mehr: „Wenn die Anklage stimmt (3D ist mittlerweile rehabilitiert, d. Red.), würde ich beiden den Kopf abschlagen und die folgende Nacht trotzdem wie ein Baby schlafen.“ Immerhin ist sein letzter Satz halbwegs versöhnlich. , Jn Amerika hat man bei Wahlen nur zwei Möglichkeiten – und beide sind scheiße. Erst, wenn einer wie Michael Moore Präsident wäre, würden die USA zu neuen Ufern aufbrechen.“ Da könnte was dran sein.