Zum 10. Todestag ihres unvergessenen Mentors machen The Grandmothers schon vorab ein wenig Lärm
Jahrestage, Todestage gar, sind so eine Sache in der Rockmusik: Das gefühlte Alter des Beobachters steigt unermesslich. Wie schön, dass der diesjährige zehnte Todestag des ehemals hauptberuflichen Rockrevolutionärs von Teilen seiner ehemaligen Mothers Of Invention bei uns Ende Februar als ebenso fröhliches wie ambitioniertes Live-Happening begangen wurde. Und zwar leicht verfrüht im sächsischen Leipzig, noch dazu in den heiligen Hallen des Klassik-geprägten Gewandhauses.
Don Preston, zunächst von ’67 bis ’74 bei Zappa als Keyboarder in Mutterschaft, war im Rahmen des Leipziger „Strings Of Fire“-Festivals zum Master of Ceremonies bestimmt worden, um gemeinsam mit erreichbaren Ur-Müttern von ehedem eine „Grandmothers Night“ zu zelebrieren. Keineswegs nur unter Nostalgie-Aspekt: Preston ist, obwohl schon stolze 70 Jahre alt, weiterhin höchst aktiv, schreibt, arrangiert, tourt und unterhält sogar eine reguläre Band, mit der er Aufnahmen macht.
Eine ideale Wahl also, um dem 1993 verstorbenen Zappa zu gedenken, der selbst gern mit dem Konzertsaal und mit der Hochkultur kokettierte.
Zappas Helden waren eben neben den Blues-Veteranen und Rock’n’Roll-Croonern auch die prinzipiell europäischen Avantgarde-Ikonen wie Igor Strawinski und Edgar Varese, denen er von Zeit zu Zeit und besonders im Spätwerk kräftig nacheiferte. Gemeinsam mit Preston und seinen vielfältigen musikalischen Roots gelang schon bei den Mothers daraus eine mitunter äußerst erfrischende Stil-Melange, die besonders auf dem Mothers-Klassiker „We’re Only In It For The Mottey“ (1967) bis heute überzeugt. Einen großen Teil des zweiten Konzertteils in Leipzig bestritt die Preston-Truppe auch aus dem Song-Fundus dieses Werkes. Schlüssig, da mit Bassist Roy Estrada und Bunk Gardner am Saxofon zwei weitere ,J1oney ‚-Mütter mit auf der Bühne waren, Authentizität also garantiert. Auch der Sänger, Saxofonist und zeitweilige Frontman Napoleon Murphy Brock ist ein altgedienter Zappa-Mann, allerdings schon aus jener Zeit, als die Mothers als Band-Verbund für den Meister nahezu ausgedient hatten. 1972/73 stieß der virtuose Stimmkünstler zu Zappa, machte epochale Alben wie „Roxy & Elsewhere“ mit ihm und stellte in Leipzig so etwas wie die Brücke zwischen Kopf-Kunst und Showmanship dar. Preston & Co. konnten sich voll auf die instrumentale Seite konzentrieren und mit Ruhe und Bedacht die Akzente und filigranen Extras setzen, ohne die ein Mothers-Song nicht auskommt.
Ein wenig müde und fast leidend erzählte Preston zuvor, dass Zappa von seinen Musikern jeden Abend verlangte, dass sie ihn „zum Lachen bringen sollten“. Nicht eben eine sonderlich anspornende Aufgabe für einen eher reservierten Mann wie Preston, der, als er zu den Mothers stieß, schon eine regelrechte Jazz-Karriere hinter sich hatte und auf dem besten Wege zu einem „ernsthaften“ Künstler war. In den 50er Jahren verdiente sich der in Michigan geborene Musiker seine Sporen in Nelson Riddles Orchester, beim Bassisten Charlie Haden, beim Flötisten Herbie Mann und beim Edel-Balladeer Nat King Cole. Alles jedoch nur Vorbereitung für weitere Schritte: Preston wirkte u.a. bei Carla Bleys maßstabsetzendem Monsterwerk „Escalator Over The Hill“ mit. Von allen Musikern, mit denen er bis dato gearbeitet hatte, beeindruckte ihn jedoch am meisten der Mann der Komponistin: der Pianist Paul Bley. „Von ihm lernte ich unendlich viel“, bekannte Preston. „Über Harmonien, Rhythmus und Struktur.“
Prestons derzeitige große Liebe gehört seiner Band The Akashic Ensemble, mit der er zuletzt die CD „The Evolution Of Inner Realities“ einspielte.
Auf eine Europatour der Combo wird man wohl noch eine Weile warten müssen, denn Preston orientiert sich nicht gerade an den Bedürfnissen des derzeitigen Rock-Marktes. Da verhelfen eher schon Auftragswerke zu größerer Öffentlichkeit, wie das für die Zappa-Night verfertigte „Of No Consequences“ oder die Komposition, die er für das Brandenburger Symphonie Orchester verfassen soll, mit ihm am Flügel und seiner Frau Augustina als Sängerin. Und so dezent und zurückhaltend sich Meister Preston auch gibt, in ihm schlägt doch nach wie vor ein Komödiantenherz. Angetan mit Smoking und Lackschuhen, performte er in Leipzig seinen Song, „I Can’t Breathe“ über die gute Luftqualität in L.A., mit gespielter Herz-Attacke, Wiederbelebung, Notarzt und Sirene. Da hätte dann wohl auch Frank Zappa gelacht Bestimmt kann man diesen Part der „Mothers Night At The Gewandhaus“
auch auf der Live-CD hören, die Anfang Mai erscheinen soll. Ein lohnender Abend war’s auf jeden Fall, denn auch der heikle Part des Gitarristen mithin des „Zappa-Ersatzes“ – wurde von Ken Rosser beachtlich stilsicher und individuell gemeistert, gekonnt und imitatfrei.
So war dieses Konzert vielleicht beispielhaft für das Leben Don Prestons nach den Mothers: Bewahren und Nutzen, ohne dabei zum Reproduzenten früherer Erfolgsformeln zu werden. Einerseits hängt sein Herz, ebenso wie bei seinen Co-Mothers, an den immer noch frisch und witzig klingenden Klassikern, doch genauso möchte er zeigen, dass er nicht stehen geblieben ist.