Der Eigenbrötler und Perfektion ist . J Mascis brilliert jetzt solo – München, Feierwerk
Sehr konsequent. Erst schließt er Dinosaur Jr., dann wirft er auch noch seine Live-Band raus und kommt ganz alleine mit der akustischen Gitarre. J Mascis, wie man so sagt, „ohne Netz und doppelten Boden“. Das passt zu seinem neuen Album „Free So Free“, wo es ja um die Freuden des Fallschirmspringens geht.
Als er mit seiner Gitarre auf dem Rücken aus dem Zuschauerraum nach vorne schlurft, kann man sich kaum vorstellen, dass dieser Mann noch eine Woche zuvor mit Minuteman Mike Watt und Ron und Scott Ashton von den Stooges den Ersatz-Iggy-Pop gab. Eulenbrille, strähnige Haare, immer bedacht, von niemandem erkannt zu werden, was natürlich absurd erscheint, schenkt er sich am kleinen Tischchen auf der Bühne ein Wasser ein und stöpselt ein, den Blick niemals von seinen ältlichen Sneakers nehmend.
Dann setzt J Mascis sich auf seinen Stuhl, schließt die Augen und beginnt mit „Someone Said“. Wie man hörte, muss man nicht befürchten, dass Mascis nur Songs aus seinen „Solo-Jahren“ spielt und die alten Favoriten grimmig verweigert, denn, da kann man sicher sein: Für den Eigenbrötler und Kontrollfreak J Mascis sind auch die Dinosaur Jr.-Alben Solowerke, nur mit dem Unterschied, dass er sich damals darüber ärgern musste, wenn einer der Kollegen nicht zu seiner Zufriedenheit musizierte.
Auch live ist diese neugewonnene Freiheit wohl eine Erleichterung: Kein Krach mehr an den wichtigen Stellen, das Feedback gibr’s jetzt zwischen den Strophen und am Ende der Songs. Die Akustische ist an allerhand Pedale und Verzerrer angeschlossen. Ab und zu arbeitet Mascis gar mit loops, die eine volle Bandbesetzung dann erst recht obsolet erscheinen lassen.
Es gibt einige Stücke von „More Light“, „Green Mind“, Frühwerke wie „Little Fury Things“ und „Repulsion“ und Live-Favoriten wie „Keeblin“ und „Quest“. Man bemerkt, dass die Songs in all der Zeit nicht schlechter, man selbst aber älter geworden ist. Erinnerungen an in „Freak Scene“ oder „Flyin‘ Cloud“ gehüllte Oberstufenräume.
Der schönste Moment ist der, in dem Mascis nach einem Schluck Wasser und einigem Geschrummel anhebt: „No where to collapse die hing/ Breathes a doubt in everyone“ – die ersten Worte von „The Lung“ vom epochalen „You’re Livin‘ All Over Me“, Szenenapplaus. Mascis aber biegt unbeeindruckt in The Cures „Just Like Heaven“ ein.
Am Ende lässt er sich auch noch zu einer Zugabe überreden: „The Wagon“: „I ring die doorbell in your mind/ But it’s locked from die outside“, singt er, doch nach diesem Konzert scheint es eher so, als habe er gar nicht die Absicht, uns jemals aus dem Kopf gehen.
Sein Hinabsteigen von der Bühne nach Ende des Konzertes verzögert J Mascis noch ein bisschen, er steht noch eine Weile da, hadert – und springt.