Wenn der Gitarrist keinen Rock mehr mag, hat eine Band wie OUR LADY PEACE ein Problem
Daheim in Kanada sind Our Lady Peace längst ein Millionenseller, und vor gut fünf Jahren wurde das Quartett um Sänger Raine Maida feierlich ausgeschickt, um im Länderwettkampf nationaler Grunge-Vertretungen wie Live, Bush und Powderfinger zu zeigen, wie durch die Lachsfischerei gestählte Gitarrenarme prügeln können. Ganz wollte das freilich nicht gelingen: Der wütend flehende Alterna-Rock von Our Lady Peace war stets eine Spur zu seltsam und eigenwillig, als dass die USA oder gar der Rest der Welt so ganz daraufhätte einsteigen können.
Außerdem: Fand man das 97er-Album „Clumsy“ noch inspirierend und ob seiner Eigenständigkeit vielversprechend, schienen die letzten ein, zwei Wferke so recht keinen Tritt fassen zu können, und da fürchtete man schon den Niedergang. „Es ist in den letzten Jahren für uns tatsächlich immer schwieriger geworden, gute Platten zu machen“, konstatiert Maida, und er erzählt von immer größer werdenden kreativen Differenzen zwischen der Band und Gitarrist Mike Turner. „Es wurde immer klarer, dass Mike in eine ganz andere Richtung wollte – er hatte eigentlich keine Lust mehr auf Rock.“
Eine dumme Situation für eine R-O-C-K-Band mit bloß einem Mann an den Saiten. „Ich hatte zum Schluss das ganze Songwriting übernommen und sagte ihm, was er spielen sollte. So ging das nicht weiter.“ Dass für das neue Album „Gravity“ mit dem aus Detroit stammenden Steve Mazur ein neuer Mann an der Gitarre stand, ist nicht zu überhören. Wuchtige Riffs und klar strukturierte Songs verleihen Our Lady Peace eine Schwerkraft, die man so nicht mehr erwarten konnte, und so empfiehlt sich die Band einem weltweiten Nu-Rock-Publikum, das die Kanadier bislang nicht auf dem Zettel hatte. „Steve ist ein Rock-Gott“, grinst Maida selig, „ich spiele endlich in der Band, von der ich als Junge immer geträumt habe.“
Dass Our Lady Peace das sinkende Schiff noch mal flott gekriegt haben, ist auch das Verdienst des Produzenten: Niemand anderes als Bob Rock lud die Band zum Aufnehmen und Surfen in sein Strandhaus nach Maui, und von dort haben ja schon ganz andere Leute den Sprung auf die ganz großen Bühnen geschafft. „Wir haben einfach jeden Tag ein bisschen die Songs gejammt“, lobt Maida, „und bevor es zu anstrengend wurde, ging’s ab zum Strand.“ Noch so ein Jungentraum.