Der Vorverkauf hat begonnen – HERBERT GRÖNEMEYER kommt im Herbst mit neuem Album und dem Start einer Mammut-Tournee
Als der Vorverkauf begann, waren die Songtexte noch nicht fertig. Das ist Just-in-Time-Arbeit, die bei Managern, Plattenfirmen und Konzertveranstaltern hektischen Schweiß verursacht, aber Herbert Grönemeyer arbeitet immer so. „Ein hohes Maß an Lebensfreude“ sei Kerngehalt der neuen Platte, soviel konnte Grönemeyer bei der Pressekonferenz Anfang juni in London schon sagen. Danach, vermutet man, habe er sich wieder mit Kopfhörern und Rough-Mix-CD zum Dichten in den Hauptwohnsitz zurückgezogen. Die Musik war zu dem Zeitpunkt längst aufgenommen, die Melodien in Grönemeyers Improvisiersprache aus Englisch und phonetischer Lautmalerei draufgesungen.
„Mensch“ wird das Album heißen, es kommt Anfang September und damit knapp viereinhalb Jahre nach der letzten Studioplatte „Bleibt alles anders“, deren Titel schon Idiom ist, aber für ihren Schöpfer kaum gilt. Die Band um Bassist Norbert Hamm und Gitarrist Jakob Hansonis, seit „Bochum“ von 1984 fast unverändert, ist wieder dabei. Alex Silva, der bei bleibt alles anders“ zunächst als Programmierer zum Clan stieß und am Ende Co-Produzent war, teilt sich mit Grönemeyer die Credits. Zum ersten Mal mit im Studio war Nick Ingman: Er hat für Eric Clapton, Oasis („Whatever“!), Portishead, Sade und viele andere die Streicher-Arrangements geschrieben, Film-Scores wie „Shakespeare In Love“ und „Welcome To Sarajevo“ dirigiert und dann die bestürzend emphatische Orchestrierung der Grönemeyer-Songs für die „Stand der Dinge“- Live-DVD übernommen.
Vergleichbar Hochmusikalisches ist für das neue Album zu erwarten, ebenso die gewohnten Spiele mit der digitalen Studiotechnik. Streicher wurden in der Abbey Road aufgenommen, die Computer und Grönemeyers Parts in den Mayfair Studios (die unter anderem von Pulp geschätzt werden), die Band in Mickie Mosts alter Giam-Pop-Schule namens RAK. Einige englische Gastmusiker sowie der Gitarrist einer erfolgreichen deutschen Rockband mit Teenie-Appeal sollen dabeigewesen sein. Anfang August gibt es eine Vorab-Single, und es ist nicht ausgeschlossen, dass Grönemeyer (wie teilweise schon in der Vergangenheit) gleich noch eine englische Version produziert. Auch von einer DVD wird gemurmelt, aber die Details, die endgültigen Jas und Neins kommen später.
„Ich glaube, dass man nicht authentisch und nicht ehrlich ist“, hält Grönemeyer schon im Voraus denen entgegen, die große Konfessionen erwarten, -man stellt sich besser und redlicher dar, als man ist. Es ist alles ein Gemisch von Lüge, Fiktion und Kino.“ Um seine Konstitution nach der familiären Katastrophe im Winter 1998 sollen wir uns jedenfalls nicht mehr sorgen – das Signal hat er bei der Pressekonferenz heiter und bis zur Atemlosigkeit plaudernd gesetzt, als er eine nicht realisierte Fußball-WM-Platte mit Sänger Oliver Bierhoff bedauerte, vom Alltag in London erzählte („Wenn man hier in England ins Taxi steigt und sagt, man mache Musik, dann flippen die schon aus“) und sogar andeutete, dass eine Rückkehr in die zweite Heimat Berlin – aus der er seinerzeit floh, um sich den vielen Blicken zu entziehen – in den nächsten Jahren möglich sei: Die deutsche Sprache fehle ihm, unter anderem. Die Konzettreise, die der zweifache alleinerziehende Vater im November mit acht großen Hallen-Auftritten beginnt und Mitte 2003 als Stadiontour mit sieben Stationen fortsetzt, wird die erste Rückgewöhnung. Eine große Show mit Projektionen, blendender Lichtregie und Live-Streichern steht insgesamt 500 000 Kartenkäufern bevor, „eine der aufwändigsten und spektakulärsten Konzertreisen, die je ein deutscher Künstler unternommen hat“, vermutet der Veranstalter. „Wir sind eine Horde Rennpferde und scharren schon mit den Hufen“, hat Herbert Grönemeyer in erdiger Metaphorik in London gesagt, „es wird zwar keine Feuerwerke geben, aber ich denke, wir sind ein ganz lustiger Live-Act.“
„Das Beste von gestern bis Mensch“: ein Greatest-Hits-Abend auch mit Hits, die jetzt noch keiner kennt. Weil sie noch nicht geschrieben sind. Mit „Bochum“, „Halt mich“ und „Männer“. Und sicher ohne „Currywurst“.