England feiert ANDREW W.K. als Retter des Rock. Er selbst glaubt, er müsse dafür noch viel trainieren
Ein ganzes Football-Team sitzt da, das sich mitsamt allen Adleraugen und Bizepsen in einen Körper quetscht. Entweder stacheln die sich da drin gegenseitig an oder sie haben einen Trainer dabei, denn so spricht Andrew W.K.: „“Es läuft gerade ganz gut, aber ich kann und muss noch härter arbeiten. So, wie ich Konzerte gebe und Musik aufnehme, ist das eine Frage der Ausdauer. Zum Beispiel habe ich mir fest vorgenommen, auch zwischendurch jeden Tag Krafttraining zu machen. Mein Leben ist so einfach, dass voller Einsatz das Mindeste ist, das ich leisten kann. Ich bin der einzige, von dem ich mir was sagen lasse. Und ich bin der einzige Mensch der Welt, der mich aufhalten kann.“
Moment, kurze Denkpause. Als Zeitungsleser weiß man, dass die Begleitumstände des Rock’n’Roll-Lebens (die Tourneen, die lästigen Drogen, der ständige, anstrengende Sex mit wechselnden Partnern) Kräfte zehren. Aber so wie Andrew W.K. (21, aus New York, Kürzel steht mutmaßlich für „“White Killer“) allein schon über das Musikmachen spricht – nämlich wie über Leistungssport -, hat er für die After-Show sowieso keine Kapazitäten mehr. Beim ersten London-Auftritt Ende des Jahres verbrachte er die in der Notaufnahme, weil ein Zuschauer ihn angesprungen und verletzt hatte. „“Halb so wild“, meint der Mann mit den irren Augen, „“er hätte mir auch die Nase brechen können.“ Na dann. Wer austeilt, steckt auch ein.
Eine weitere Außergewöhnlichkeit an Andrew W.K. ist, dass er keine musikalische Geschichte hat. Die Band, mit der er die Platte „“I Get Wet“ gemacht hat, ist seine erste überhaupt, den Ex-Obituary-Drummer Don Tardy tat er auf, indem er ihm einen höflichen Brief nach Hause schrieb. Die Musik: rudimentärer Party-Disco-Metal, den Andrew W.K. mit so viel Schweiß und Gesten herbeimalocht, dass das alte Rock-Dilemma derzeit voll auf seinem Schultergürtel ruht. Pathos gegen doofe Brutalität, Proll-Mist oder ein genialer Befreiungsschlag, das hat das Publikum selten in einer einzigen Person so widersprüchlich zu sehen bekommen.
Feinde? „“Früher dachte ich, da seien viele, damals war ich ein reaktionärer Typ.“ Dann kam die Musik. „“Ich nenne das nicht ,spirituelle Erfahrung‘, aber ich bin dankbar, dass sie mich ins Licht gefuhrt hat. Ich bekomme soviel Lebenskraft aus der Musik, weil sie größer ist als ich, weil sie nicht mir gehört. Ich habe das Gefühl, sie steckt in meiner rechten Hirnhälfte und sagt, wie ich sie spielen soll. Deswegen die ganze Anstrengung. Ich will ihr gerecht werden.“
Eine Sisyphus-Arbeit, aber im Dienst des Guten, glaubt Andrew W.K. – die Leute werden ihn schon richtig verstehen. Mit seinem Gitarristen Jimmy habe er vor kurzem die ganze Nacht über den Unterschied zwischen Neid (anstachelnd) und Eifersucht (destruktiv) diskutiert. Neid und Eifersucht. Das könnte von Jane Austen sein.