Dem Trend zum Trotz wagen die Intellektuellen von BAD RELIGION Kritik an ihrer Heimat USA
Manchmal wirken sie schon wie die Punkrock-Variante von Waldorf und Statler. Wenn Greg Graffin und Brett Gurewitz zusammensitzen, fliegen ironische Sätze hin und her, bis einen schwindelt. Seit Gitarrist Gurewitz wieder bei Bad Religion ist, sind die beiden ganz in ihrem Element. Sänger Graffin freut sich jedenfalls über die „“neue alte Band“: „“Mir war gar nicht aufgefallen, wie anstrengend es ist, alleine Songs zu schreiben, bis Brett wieder im Team war.“ Man hört ihrem Album „“The Process Of Belief“ die Mühelosigkeit an, obwohl es den Amerikanern ja nie an Energie fehlte. Diesmal legen sie noch einen Schlag zu.
Warum aber stieg Gurewitz wieder ein? Jahrelang kümmerte er sich nur um sein Label Epitaph, zu dem nun wiederum Bad Religion zurückgekehrt sind.“ „Ich liebe diese Band, einen anderen Grund gibt es nicht.“ Dankenswerterweise stellt Greg gleich selbst die offensichtliche Nachfrage: „“Warum bist du dann überhaupt gegangen?“ Brett lacht: „“Ich dachte, ich kann auch ohne euch Musik machen, aber alleine gelingt mir nichts.“ Nachdem Gurewitz wieder im Boot war, musste sich die Band plötzlich auch noch einen Drummer suchen, weil Bobby Schayers Schulter nicht mehr mitmachte. Schnell war Brooks Wackerman gefunden – „der Beste und Netteste“.
Was den Zustand dieses Planeten betrifft, haben Bad Religion wenig Positives zu vermelden. Ihre Texte sind aggressiver denn je ausgefallen – Songtitel wie „“Bored And Extremely Dangerous“ und „“Destined For Nothing“ deuten es schon an. Die Gretchenfrage: Ob Graffin glaubt, mit seiner Musik etwas verändern zu können? „“Ich ändere ständig meine Meinung darüber. Sage ich nein, klinge ich fatalistisch. Sage ich ja, klinge ich arrogant. Ich bin jedenfalls froh, dass wir zu den Bands gehören, deren Aussagen viele interessieren,“ Brett, noch optimistischer: „“Ich glaube an die Chaostheorie. Der Hügelschlag eines Schmetterlings in Südamerika kann einen Tornado in Kansas auslösen.“
Bad Religion gelten nicht umsonst als Intellektuellen-Punks. Um all ihre Texte zu verstehen, muss man schon aufpassen. Im Notfall erklärt einem der freundliche Gurewitz aber gerne, was sein Kollege gemeint hat. So stellt sich heraus, dass „“The Materialist“ nicht vom landläufigen Kapitalansammler handelt, sondern von der philosophischen Schule des Materialismus. „Der Song will folgendes sagen: „Wir müssen das Universum als das Einzige sehen, was wir haben“, erläutert Graffin, als er merkt, dass sein Professoren-Kopf da vielleicht ein bisschen mit ihm durchgegangen ist. „“Damit müssen wir arbeiten. Besser, wir leben jetzt ein sinnvolles Leben, denn es wird kein weiteres geben.“
Andere Lieder sind noch pragmatischer, etwa „“Kyoto Now!“, eine wütende Bestandsaufnahme von George W. Bushs (fehlender) Umweltpolitik. Ob jeder Hörer wissen wird, dass es um die Weigerung der USA geht, den Kyoto-Vertrag zur Reduzierung des Treibhauseffekts zu unterschreiben? Brett hat so seine Zweifel, „aber Bad Religion sind ja bekannt dafür, neues Vokabular in die Rockmusik einzuführen.“ Und ein Stachel im Fleisch selbstgerechter Amerikaner zu sein: „“Zurzeit ist das wichtiger denn je.“ Birgit Fuss