Muskelkater

Natalie Imbruglia: Schön wie eh und je und zielgerichteter als zu „Torn“-Zeiten

Nach schweren Selbstzweifeln nahm NATALIE IMBRUGLIA die Zügel doch selbst in die Hand. Wieviel Zeit man eigentlich brauchen darf, um eine Platte aufzunehmen? Natalie Imbruglia weiß es nicht Jedenfalls nicht so lange, wie ich gebraucht habe“, lächelt sie angesichts der Veröffentlichung ihres lange angekündigten zweiten Albums. „Wenn es noch einen Moment länger gedauert hätte, dann hätte ich mein drittes Album gleich mit gemacht.“

Über die künstlerische Odyssee der Natalie Jane Imbruglia ist man regelmäßig auf dem Laufenden gehalten worden. Von mehreren Dutzend Mietschreibern war die Rede, die dem australischen Shooting Star nach dem Raketenerfolg im „Torn“-Sommer 1998 bei der kreativen Selbstfindung helfen sollten, von 100 Liedern, die nicht für eine Platte reichten, schließlich von Konfusion und Selbstzweifeln, die sie am musikalischen Fortkommen hinderten. „Ganz so dramatisch war es nun auch wieder nicht“, beschwichtigt sie, „nach der Kampagne zum ersten Album habe ich erst mal ein Jahr Pause gemacht, bevor es überhaupt weiterging.“ Ein bisschen zu lang, wie sich bald herausstellen sollte. „Songwriting ist wie ein Muskel – er wird lahm, wenn man ihn nicht ständig trainiert“, erklärt sie die Mühe mit der Muse., Als ich schließlich neue Songs schreiben wollte, war ich furchtbar planlos. Am Ende waren 60 Stücke fertig, die ich allesamt hasste.“

Die Rettung nahte in Gestalt des schottischen Liedschreibers Gary Clark. Nach tatsächlich obszön vielen, meist wenig erfolgreichen Kollaborationen mit anderen Komponisten (darunter so illustre wie Dave Stewart, Glen Ballard und Pat Leonard), fand die ganz zerrissene Natalie in dem ehemaligen Vormann des schottischen Pop-Duos Danny Wilson („Mary’s Prayer“) das rechte Gegenüber für die neue Musik. „Wenn ich will, dass etwas wie ein Regenbogen klingen soll, dann weiß er sofort, was ich meine. So jemanden habe ich gebraucht.“

Mit Gary platzte dann der Knoten. In gar nicht allzu langer Zeit war das Gros der nötigen Songs geschrieben, und plötzlich waren all die schwierigen Debatten über die musikalische Identität nach „Tom“ obsolet geworden. „Vieles auf dem ersten Album hat mir nicht wirklich gefallen“, wagt sie den Blick zurück, „ich war total unerfahren, und die meisten Entscheidungen haben andere für mich getroffen.Jetzt rede ich in meiner eigenen Sprache.“ Ein bisschen kann man die neue Selbstsicherheit sogar sehen: Anstelle der strubbeligen Ich-weiß-nicht-wohin-mit-meinem-Leben-Frisur, überrascht Natalie Imbruglia zum neuen Album mit lang wallenden Haaren und hüllt sich so in eine fließend-feminine Aura, die gut zum vorerst abgeschlossenen Selbstfindungsprozess zu passen scheint. „Dieses Mal“, sagt sie, „wollte ich den Spalt überwinden zwischen der Musik, die ich höre, und der Musik, die ich mache.“

Man dankt’s der schönen Chanteuse, dass sie die neuen Ideale nicht allzu weit von eigenen musikalischen Sozialisation sucht. Als künstlerische Fluchtpunkte für die Mädchenmelancholie von „fVhite Lilies Island“nennt Natalie U2 und die Cranberries und greift also nicht nach unerreichbaren Früchten. Joni Mitchell oder so. „Ich fühle mich jetzt meines Erfolges würdiger“, sagt sie und verspricht, in Zukunft nicht mehr so lang zu brauchen für neue Platten. „Ich würde die vergangenen drei Jahre gern als Wachstumsperiode betrachten. Eine Periode, die jetzt hoffentlich beendet ist.“

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