ELF NIETEN MÜSST IHR SEIN

Deutscher Fußball-Schund, von Leo Kirch rationiert und mit Trailer-Trash verschnitten - da hilft nur der schnelle Vorlauf, meint Freddie Röckenhaus

Ich bin ziemlich sicher, dass irgendwo in Unterföhring, auf den Gängen der Konzernzentrale von Leo Kirch, schon wieder ein paar gegelte Nieten in Nadelstreifen an einer neuen Super-Idee basteln: „Okay, okay, Boss, Fußball-Bundesliga um 20 Uhr 15 ist vom Markt nicht wie erwartet angenommen worden. Aber wir haben jetzt was Neues. Todsicher!“ Und dann werden sie Leo aufschwatzen, dass man die Senderechte an der Bundesliga am besten der ARD schenken sollte – unter der Bedingung, dass das Erste den ganzen Mist von 20.15 bis 22.15 Uhr senden muss. „Damit hauen wir sie endgültig in die Pfanne, Boss! Die Gebührenzahler werden sich das nicht gefalien lassen und stattdessen ein Premiere-Abo kaufen.“ Man kann richtig spüren, wie der olle Kirch gar nicht so schnell ans Aspirin-Päckchen kommen kann, wie er Kopfschmerzen kriegt von soviel Wahnsinn.

Fußball-Bundesliga erst um 20 Uhr 15: In dieser Schicksalsschlacht gegen den Kapitalismus haben die Deutschen per Fernbedienung gesiegt. Schon kurz nach dem Neustart hatte Jörg Wontorra noch ungefähr so viel Zuschauer wie ein Problem-Dokumentarfilm über soziale Missstände in Moldawien. Einen Moment lang wollte man einstimmen in den Jubel über soviel Widerstand und Solidarität gegen die bösen Abzocker im Bildschirm-Big-Business. Andererseits: Das deutsche Volk hat statt Fußball mit Wontorra lieber massenhaft Volksmusik bei den gebührenfinanzierten Sendern eingeschaltet. Erst mussten die Gewerkschaften durchsetzen, dass Papi am Samstag nicht mehr arbeiten gehen muss. Jetzt waren sie an der Seite der Werktätigen, dass Papi rechtzeitig seinen Fußball bekommt. Damit er sich anschließend im Kreise seiner Lieben verblöden lassen kann.

Die klammheimliche Freude über den Boykott währte also nur kurz. Bei Licht betrachtet zahlt Leo Kirch den Bundesliga-Vereinen immerhin etwa 750 Millionen im Jahr für die Senderechte, dazu mindestens 100 Millionen für Übertragung und Produktion. Das bekommt Kirch niemals wieder rein, hilft aber irgendwie, dass Amoroso und Rosicky in Dortmund und nicht bei Real Madrid spielen. Aber all die coolen Betriebswirte haben trotzdem schon immer gewusst, dass Fußball auch fürs Fernsehen ein Super-Geschäft ist. Und das wird weiter gehen.

Deshalb mussten wir endlos lange „ran“-Sendungen im Bild-Zeitungs-Tonfall und mit endlosen Werbe-Inseln, ach was: Werbe-Kontinenten dazwischen ertragen. Sat 1 hat heute weit geringere Marktanteile als vor „ran“ – aber Nieten in Nadelstreifen sind nicht zu beirren. Seit drei Jahren, seit Leo Kirch endlich den Erzrivalen Bertelsmann aus dem zuvor gemeinsamen Pay-TV-Projekt „Premiere“ herausgedrängt hat, ist nun die Super-Strategie, dass wir alle blöd genug sind, um für Bundesliga-Fußball extra Abo-Gebühren zu bezahlen. Zusätzlich zu mindestens 30 frei empfangbaren Kanälen.

Da dieses Kalkül auch nicht so richtig aufgeht, weil die Ware Fußball offenbar zu teuer eingekauft ist, kam danach die nächste tolle Idee: 20 Uhr 15. Schade nur, dass das Interesse der Fußball-Deutschen an Fußball offenbar gar nicht so existenziell ist, wie es die Bild-Zeitung und Kanzler Schröder nicht müde werden zu behaupten. Borussia Dortmunds Präsident Gerd Niebaum hat das alles sogar schon nach der allerersten Quoten-Pleite von „ran“ um 20.15 Uhr gewusst. Man könne das dem Fußball-Zuschauer nicht einfach so reindrücken, weil der um die Zeit keinen Fußball wolle. Das klang zutiefst volkstümlich.

In Wahrheit aber gehört der Bundesliga-Fußball mit all seinen Amorosos und Rosickys natürlich gar nicht uns allen. Wir sind nur die Konsumenten, die Spieler sind die Artisten und Niebaum ist einer von den 18 Zirkus-Direktoren, die sehen müssen, wie sie den Laden irgendwie am Laufen halten.

Niebaum, wie auch Uli Hoeneß vom FC Bayern, möchte am liebsten bald die Heimspiele seines zugkräftigen Klubs auf eigene Karte vermarkten und nicht mehr im Paket mit den langweiligeren Vereinen. Zum Beispiel mit Pay-per-View. Zehn oder fünfzehn Mark für jedes Spiel des BVB – und die gehen direkt aufs Konto der Borussia KG auf Aktien. Von einer Milliarde Einnahmen für die Liga pro Jahr träumt Uli Hoeneß schon jetzt. Kirchs gegelte Jungs mit den Super-Ideen werden sie dazu dann nicht mehr brauchen. Und Deutschlands Papis werden dann ihre Eintrittskarte fürs eigene Sofa bezahlen.

Aber bis dahin werde ich weiterhin eine Mulde in die Schnelle-Vorlauf-Taste unseres Videorekorders drücken, um mich durch all das Werbespot- und Trailer-Gedröhne zu den vereinzelten Szenen zu jetten, die sich wirklich lohnen. Der schnelle Vorlauf hat sowieso sein Gutes: Da sehen selbst die lahmen Wolfsburg-Spieler auf einmal ziemlich schnell aus.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates