Der zweite Bildungsweg
Bislang kannte man MICHAEL DOUGLAS nur als den umtriebigen Yuppie, dem er in „Wall Street" ein Denkmal setzte. Sollte der Filou etwa doch Substanz besitzen?
Es hat sich aufgedrängt seit seinen Darstellungen von der Designerstange („Basic Instinct“ und „Wall Street“), Michael Douglas einen Lackaffen zu zeihen. Oder auch: Fatzke, Parvenü, Yuppie Scum. Zu oft und zu gern mimte er Typen, die man zu hassen liebte. Gab gegelte Geschäftsdronen, denen man den dramaturgischen Dreh zum Herzlichen am Ende nie abnahm. Selbst wenn Douglas zum Menschein gezwungen wurde (wie in „The Game“), blieb er zumindest Machtmenschler. Ein Filmschaffender, der zum Filmreporter „Schön, dich wiederzusehen“ sagt, obwohl man ihn noch nie getroffen hat Auch abseits von Drehorten lebte Douglas ungeniert das „Gier ist gut“-Credo vor und wollte mit Museum in Mallorca und großspurig annoncierten Deals in Hollywood die Bügelfaltenfraktion beeindrucken. Oder Börsenblödianer, die bis zuletzt seinen Gordon Gekko aus „Wall Street“ verehrten, der dem Schauspieler einst die Oscar-Hausse und dann den Image-Crash brachte.
Abgeschlossen ist das Kapitel noch lange nicht Neulich erst machte Micha in seiner Funktion als Filmrechtehändler in Berlin seinem Kumpel und Kohl-Liebling Lars Windhorst die öffentliche Aufwartung. Kurz danach verkaufte der 56-Jährige in seiner Funktion als Gatte einer 31-Jährigen einem Boulevardblatt für anderthalb Mio. Dollar die Exklusivrechte an Hochzeitsfotos, nachdem er schon Bilder von Baby Dylan verscherbelt hatte. Erklären will er das alles mit der „Regulierung von Angebot und Nachfrage“».
Den zwielichtigen Nimbus des übermotivierten Entrepeneurs, der als Mime eher zweitklassig ist, wird Douglas dadurch aber nicht lange los. Irgendetwas verkauft er immet, im Zweifelsfall sich selbst. Unter seinem Namen firmieren Ego-erhaltende Maßnahmen wie die persönliche Vfebsite, ein Promi-Golfturnier und ein Büro bei der UN, wo er den Titel eines offiziellen Friedensbotschafters trägt. Bei Douglas und Bono wird die ^felt nicht untergehen, könnte man schlussfolgern – und sich politikverdrossen von der Warenmarke Michael Douglas abwenden.
Wenn es da nicht dieses Talent gäbe. Diese Nase, diese instinktive Gerissenheit und fraglos auch den Mut, als Actor regelmäßig dahin zu gehen, wo die anderen in seiner Klasse nie hin wollen. Nicholson ausgenommen.
Ganz gleich, ob es Glück war oder Instinkt – präziser als alle agierenden Auguren trafDouglas den gesellschaftlichen Nerv und machte Filme, die Diskussionen auslösten oder ergänzten.
Kaum war Ende der Siebziger „Das China-Syndrom“ im Kino, gab es in den USA den ersten Störfall in einem Kernkraftwerk. Kaum symbolisierte „Wall Street“ die Hybris der Achtziger, krachte der Kurs in den Keller. Und kaum machten ihm Glenn Qose („Eine verhängnisvolle Affäre“), Sharon Stone („Basic Instinct“) oder Demi Moore („Enthüllung“) das unbeschwerte Yuppie-Leben schwer, debattierte alle Welt das Pro und Contra von Fremdgehen, Women’s Lib und Sex im Büro. Soviel Gespür für Reizthemen muss man erst mal haben. Gleichwohl reifen Douglas-Filme extrem schlecht, weil aktuelle Themen nur kurz das Interesse befeuern, und dann nichts so alt wirkt wie der Zeitgeist von gestern. Ein Schicksal, das Steven Soderberghs neuen Film „Traffic“ wohl kaum ereilen wird. Kein Douglas-Streifen per se, da der Mime sich hier als der oberste Schreibtischtäter an Washingtons Front im Drogenkrieg – in ein exquisites Ensemble eingliedert.
Ein zeitgemäßer Stoff allerfeinsten Zuschnitts ist es allemaL Gegen die typisch amerikanische Bigotterie in puncto Drogen filmt „Traffic“ an, mit fein
verästelten Vignetten über kleine Dealer und große Tiere, über Kinder im Rausch und Männer auf dem Schlauch. Douglas bleibt sich insofern treu, als dass er einmal mehr einen Mann mit Einfluss spielt, dem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Aber wo seine Figuren früher mit nackter Wut reagierten, zeigt er hier nur Schmerz und Fassungslosigkeit, als seine Tochter im Crack-Nebel verschwindet.
Auf einmal tritt Michael doch noch in die Fußstapfen seines allseits respektierten Vaters und ist Hollywoods honorigster Darsteller für grau melierte Loser – zu denen zweifellos auch sein Berufskiller in der Hipster-Komödie „One Night At McCooFs“ zählt. Er könne so frei aufspielen, weil er niemandem mehr etwas zu beweisen habe, meinte Douglas noch am Set in Pittsburgh. Und fragte rhetorisch: „Ist es nicht traurig und peinlich, wenn Mänletzten zwei Jahren vor der Kamera und nur mit Schwangerschaftsgymnastik wird er die Zeit kaum gefüllt haben. Aber auch in seinem Zweit-Job als Produzent hält es Douglas irritierend unaufgeregt. Nachdem er Mitte der 90er eine Finanzierungsfirma schloss, die John Woos „Face/Off produziert hatte, gründete Douglas kürzlich eine neue Company. Doch ob nun „One Night At McCool’s“ die Dämme für ein Dutzend brisanter Projekte bricht, bleibt abzuwarten. Sicher ist er sich nur, ner so tun, als ob sie vom Altern ausgenommen seien?‘ Zu diesem Zeitpunkt wies Douglas eben noch nicht durch sein Werben um ein 25 Jahre jüngeres Starlet auf sebe Potenz hin…
Bekanntlich ließ Harrison Ford den „Traffic“-Part ob seiner mangelnden „Heldenhaftigkeit“ sausen. Douglas indes nimmt vor allem Reißaus, was nach Heroismus riecht. Gut möglich, dass die Bestie Eitelkeit an Bissigkeit verliert, je ähnlicher Michael in zunehmendem Alter seinem charakterköpfigen Vater Kirk sieht. Und schwer zu sagen, welchen Stellenwert Bequemlichkeit und Jet-set-Verpflichtungen in seinem Leben eingenommen haben. Lediglich fünf Wochen stand er in den mit seinen Arbeiten in der Gegenwart zu bleiben. Weil da eben die Trend-Trefferquote am höchsten ist. Doch ob für den Producer oder Gesichtsvermieter, Yuppie oder Hippie? Das weiß Douglas womöglich selbst nicht so recht…