Vom verrückten Verfolger zum geliebten Protege
Mit David Byrne als Labelchef kann JIM WHTTE problemlos seine eigene, erratische Welt vertonen
Künstlerische Autonomie gilt als hohes Gut Wer erzählt nicht gern, wie er diesen Song, jene Single gegen A&R und Marketing durchgesetzt habe? Nicht so Jim White. Für sein zweites Album „No Such Place“ schrieb der Mann aus Florida an die 70 Songs, überließ die Auswahl aber seiner Plattenfirma. „Warum? Sie haben das Geld investiert. Zudem neige ich zum Obskuren. Aber das sollte ein Hobby sein, keine Profession.“
Vielleicht würde es Kollegen auch leichter fallen, auf den Rat anderer Leute zu hören, wenn David Byrne in ihrer Chefetage säße. Der Chef des Luaka Bop-Labels drückte auch Whites furiose 15-Seiten-Lebensgeschichte im Booklet des Debüts JVrong-EyedJesus“ gegen alle Widerstände beim ehemaligen Vertriebspartner Warner durch.
Im tiefsten Bible-Belt-Süden nahm White stets die Rolle eines Außenstehenden ein „und so präsentiere ich auch Country. Meine Eltern stammen aus dem Norden, der Süden war immer ein mythischer Platz für mich, kein wirklicher Ort“. Das ging nicht lange ohne Drogen gut. Später flüchtete er in religiösen Fundamentalismus. Doch die rechte Vorstellung von Gott wollte er sich bald nicht mehr diktieren lassen. „Wmng-Eyedjesus“sajk Michael CPratt (sein bürgerlicher Name) heute als Botschaft „von einem anderen Planeten“ ein. Vom Planeten eines Denkers, der mit 18 mathematische Patience-Formeln aufstellte und später zu der Erkenntnis kam, dass „A plus B nicht automatisch C ergibt, sondern vielleicht Kartoffel“.
Seine erste Begegnung mit David Byrne bringt ihn heute noch zum Lachen. White fuhr damals in New brk Taxi und sponn komische Theorien. „Ich wollte immer schwarz sein, doch sich wie ein Schwarzer zu geben, ist nur lächerlich. Meine Theorie besagte: Ich werde schwarz, je weißer ich mich aufführe. Eine Freundin meinte: ,also superwhite‘. Da hatte ich gleich David Byrnes Gesicht vor Augen. Ich schwor, wenn ich ihn mal sehe, einfach ,superwhite!‘ zu ihm zu sagen.“ Als er Byrne wenig später tatsächlich auf der Straße sah, verfolgte er ihn mit dem Taxi. „Ich sah damals Travis Bickle nicht unähnlich. Ich rollte das Fenster runter und rief immer ,superwhite!‘ David rannte in einen Laden. Er dachte wohL ich wolle ihn erschießen.“
Erst neun Jahre später wird White auf Empfehlung eines Freundes ein Demo an Luaka Bop schicken – „was ich für einen Witz hielt. Aber dann riefen sie tatsächlich bei mir an“.