Besser spät als nie
Endlich dürfen JIMMY EAT WORLD - nach vielen ausverkauften Konzer- ten - auch hier zu Lande ihre bittersüßen Power-Pop-Songs herausbringen
Man stelle sich einmal folgendes Szenario vor: Eine Band aus Mesa, Arizona, absolviert im Februar 2001 bereits zum dritten Mal eine Europatournee und spielt, zumindest was Deutschland betrifft, ausnahmslos in Clubs, die aus allen Nähten platzen. In denen Teens und Twens, die mal nach Pop, mal nach Hardcore und mal nach Indie-Rock aussehen, kollektiv ausrasten und Wort für Wort mitsingen und -brüllen, als handle es sich bei den Texten um Glaubensbekenntnisse.
Die Band trägt den komischen Namenjimmy Eat World, besteht aus Jim Adkins (Gitarre, Gesang), Rick Burch (Bass), Tom Linton (Gitarre, Gesang) und Zach Lind (Schlagzeug). Nicht ein einziger ihrer drei regulären Longplayer ist zu diesem Zeitpunkt in Europa in den Plattenläden erhältlich. Für hartgesottene Anhänger des hochtalentierten Quartetts, das in den USA längst dem Geheimtipp-Status entwachsen und etabliert ist, hießen die Zauberworte deshalb lange Zeit Mailordei; Import und Internet Kurzum: Es war zum Verzweifeln. Und ganz schön teuer.
Die traurige Zeit ist nun vorbei. Endlich ist jetzt immerhin die jüngste Platte der Power-Pop-Formation,,, Qariiy“, auch hier zu Lande veröffentlicht worden. Jim Adkins, der wie der Rest der Band bis vor kurzem in Los Angeles weilte, um dem “ Clari^“-Nachfolger, der noch in diesem Jahr folgen soll, den letzten Schliff zu verpassen, erläutert: „Wir sind ehrlich gesagt schon ein bisschen verbittert darüber, dass ,Clarity‘ erst jetzt bei Euch erscheinen kann. Aber wir können damit leben. Wir wollten unsere Platten schon immer in Europa herausbringen. Besser spät als nie.“
Das Label für ihr nächstes Album können sich Jimmy Eat World, die mit der Hymne „Lucky Denver Mint“ den Drew-Barrymore-Film , ,Never Been Kissed“ untermalen durften, jetzt in Ruhe aussuchen. Bei aller stilistischen Vielfalt, die auf „CUtrity u bis zur Vollendung perfektioniert wurde, oszillieren die bittersüßen Stücke der klarsichtigen Amerikaner doch immer zwischen höchster Euphorie („Blister“) und tiefer Traurigkeit („A Sunday“). Das wirft die Frage auf, wie es denn um den Gefühlshaushalt von Hauptsongwriter Adkins so steht. „Depressiv bin ich sicherlich nicht, und wenn ich Texte in der ersten Person schreibe, heißt das noch lange nicht, dass es sich dabei zwangsläufig auch um meine eigenen Gefühle handeln muss. Doch es stimmt schon, dass meine Texte oft wie Tagebucheinträge anmuten.“
Dass selbst die originellsten und innovativsten Combos – und zu denen muss man Jimmy Eat World zweifellos zählen – nicht ohne Einflüsse und Vorbilder bezüglich des Songwritings auskommen, ist klar, und so fallt es Adkins auch überhaupt nicht schwer, gleich eine Reihe seiner persönlichen Favoriten aufzuzählen: „Ich selbst habe in letzter Zeit viel Ryan Adams und Guided By Voices gehört.“
Für seine Kollegen möchte der Sänger lieber nicht sprechen, denn jedes Mitglied der Band habe schließlich verschiedene Einflüsse. Ein kleinster gemeinsamer Nenner fallt ihm dann allerdings doch noch ein: „Wir können uns alle jederzeit problemlos auf Tom Petty und U2 einigen.“ Mag das verstehen, wer will, aber Bonos Schatten ist eben allgegenwärtig.