Nick Cave / Mute Night
Zäh verrannen die Minuten bei der Pressekonferenz. Das gute Dutzend Tonkünstlen aufgereiht wie an einer Perlenkette, gähnte sich einen ab. Verständlich, denn es hagelte nicht gerade Fragen, und cool auszusehen, wenn man im Lichtkegel von Scheinwerfern herumsitzt wie bestellt und nicht abgeholt, bedarf schon einer gewissen Übung. Dabei war der Anlass für den Auftrieb, die Eröffnung einer Mute-Dependance in Berlin, nicht ohne Bedeutung, wie Label-Boss Daniel Miller versicherte. Immerhin sei Berlin ja ungemein lebendig, befinde sich in permanentem Umbruch, bläh bläh. Und Nick Cave assistierte artig: Doch, ja, natürlich immer und unbedingt sei Berlin, mmmh, eine Reise wert.
Am Abend verteilten sich die Mute-Acts auf drei Bühnen, das Publikum pendelte zwischen Barry Adamson, Echoboy und Add N To (X). Doch es waren fraglos Goldfrapp, die das grellste musikalische Glanzlicht setzten. Sängerin Alison, im engen Schwarzen und Netzstrümpfen, betörte als Sirene und Soubrette, tönte operatisch oder entrückt, kühl und konzentriert. Zu Keyboards, gezupften und gestrichenen Saiten, Drums und, ahem, Keyboards.
Cinematographische Sounds, viel Ennio Morricone, mehr This Mottal CoiL Herrlich. Alison Goldfrapp, Gletschermaid. Große Zukunft. Gratulation, Mute Records.
Kommerzielles Standbein des Labels, neben Depeche Mode, wird freilich in absehbarer Zeit Nick Cave bleiben. Der Theatersaal der Volksbühne ist zum Bersten gefüllt, die Spannung mit Händen zu greifen. Cave kommt in grau und schwarz, wirkt wie stets mehr diakonisch als diabolisch. An seiner Seite die Berliner Fraktion der Bad Seeds: Thomas Wydlet; Sympath und menschuches Metronom mit Swing-Verstand. Und Blixa Bargeld, personifizierter Underground und amtlicher Indie-Fex.
„Rauchen verboten!“, blinkt es in riesigen Lettern über der Bühne, Bargeld raucht Kette, Cave pafft. Jetzt erst recht Beifall auf offener Szene. Zum Üben, grinst Cave, war kaum Zeit Und liefert den Beweis, eine halbe Stunde lang. Sein Klavierspiel baut auf Drama in Moll, der Gesang leiert, die verbalen Einlassungen sind launig, was von den Fans indes offenbar gouticrt wird. Ebenso wie Blixas Beitrag, ein dilettantisches Zerren an der so unschuldigen wie ungestimmten Gitarre, „The Mercy Seat“ lässt dennoch erschauern, die neuen Songs haben Substanz. „Little Janie’s Gone“ hat sich eingeprägt, ein vertonter Abschiedsschmerz. Nick Cave aufgewühlt, obschon es da gar keinen Todesfall zu beklagen gibt, wie der Text gnädig offenbart: „Litte Janie’s gone away…“. Eine Pre-Listening-Session, die LP dann im April