Teufelswerk

Das Napster-Drama geht in die nächste Runde

Verdächtige Stille da draußen. Relativ ungestört von News-Tickern, Marktschreiern oder aufgeregten Userforen-Diskutanten kann man zur Zeit – Mitte Oktober – als ausgewiesener Musikfreund im Internet flanieren. Zeit, neue Stücke von Radiohead oder Limp Bizkit downzuloaden (legal & gratis), das umfangreiche pdf.-File zum August-Gerichtsspruch im Fall Napster versus Plattenindustrie auszudrucken (zu finden auf www.riaa.com ) oder einfach nur die Homepages der Hersteller immer schmuckerer MP3-Hardware zu studieren. Aber war da nicht etwas? Stand nicht noch vor wenigen Wochen das Ende der Welt, wie wir sie kennen, bevor? Oder zumindest der finale Kampf mit der Bestie, die man dafür in den Chefetagen fast aller Musik- und Medienkonzerne verantwortlich machen mochte: Napster.

Die Ruhe vor dem Sturm? Oder ist gar eine Lösung in Sicht, die hinter gepolsterten Türen ausgemauschelt wird? Die Frage bleibt, allen Mutmaßungen zum Trotz, offen. Fakt ist, dass sich das „Kätzchen“ zur schnellstwachsenden Community des Netzes entwickelt Das Damoklesschwert der Server-Abschaltung, das für einige Tage über der Firma hing, verlieh Napster noch einmal einen enormen PR-Schub. Zur Zeit hält man bei 32 Millionen Usern, und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Kenner der Materie sprechen bereits von einem „Schuss ins eigene Knie“, den sich die Industrie verpasst habe – der Kriegslärm machte nicht nur auf Napster, sondern generell auf das faszinierende „peer to peer computing“-Konzept aufmerksam, das einen Datentausch direkt zwischen Konsumenten ermöglicht, ohne Zwischenhandel und institutionelle Aufsichtsorgane. Leute wie der einstige Yahoo-Manager Jim McCoy wollen auf dieser Grundlage gar eine neue Net-Ökonomie („Mojo Nation“) errichten und drohen den Multis unverhohlen: „Widerstand ist zwecklos. Entweder ihr kooperiert mit uns – oder eure schlimmsten Albträume werden Wirklichkeit.“ Was wird nun aber aus Napster? Anfang Oktober war es zur ersten Runde des Berufungsprozesses gekommen. Die Anhörung zog annähernd so viele Zuhörer an wie weiland der Prozess um O.J. Simpson. Je 20 Minuten hatten Anwälte der RIAA und Napster-Anwalt David Boies (er zerlegte zuletzt Microsoft im US-Antitrust-Verfahren), um ihre Argumente erneut auf den Tisch zu legen. Und den bohrenden Nachfragen der Richter standzuhalten, die bisweilen vor zynischen Schlussfolgerungen nicht halt machten. So ging – Höhepunkt aus Sicht von Napster-Fans – die Frage an den RIAA-Vertreter, ob man denn konsequenterweise nicht gegen das WWW an sich vorgehen müsse, folge man den Argumenten der Plattenindustrie.

Die entscheidende Frage bleibt: Begehen Napster-User Copyright-Verletzungen (und, wenn ja, was tut Napster dagegen?) oder ist privates Tauschen unter dem „Digital Millenium Copyright Act“ legal? Oder, schärfer formuliert: Ist Napster ein an sich neutrales Werkzeug oder aber ein Geschäftsmodell, das auf die Arglosigkeit seiner Mitglieder setzt? Die Richter ließen die Frage offen. Vorerst.

Letzter Stand der Dinge, spekulativ: eine Ausschlachtung der „brand“, also des Markennamens Napster. Zwei große Internet Service Provider haben ihr Interesse an einer Übernahme angemeldet. Ein Termin für den finalen Richterspruch wurde noch nicht genannt – für Spannung ist weiter gesorgt.

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