Erleuchtung durch iMac
Nach Jahren im Exil kehrt Mike Scott nach Schottland zurück - und zum Namen The Waterboys
Die Erleuchtung kam kurz vor Weihnachten, als ihn sein neuer iMac anstrahlte. Mike Scott, vorher stets computerlos, „tat das, was andere Künstler sicher auch tun, wenn sie endlich online sind“. Nämlich, klar die Suchaufträge „Waterboys“ und „Mike Scott“ erteilen.
Und siehe da. „Klar gab es auch ein paar Einträge zu mir, aber doch viel mehr unter Waterboys. Da wurde mir endgültig klar: Das ist der Name, den die Leute mit meiner Musik verbinden. Und viele Leute hören sie vielleicht nur deshalb gar nicht mehr, weil ich ihn irgendwann fallengelassen hatte.“ Nach zwei mäßigen und schlecht verkauften Solo-Alben segelt der schlanke Schotte mit den großen Augen nun also wieder unter alter Flagge. Und kann sich den Hinweis nicht verkneifen, dass „Fisherman’s Blues“ und „Room To Room“ ja ohnehin „die einzigen richtigen Band-Platten“ in der langen Historie seit dem 1983er-Debüt gewesen seien.
Wer wollte ihm den Namen Waterboys auch streitig machen? Der Zwist mit Anthony Thistlethwaite wurde bereits Mitte der 90er Jahre beigelegt. Scotts old buddy ist auch auf dem neuen Waterboys-Werk „A Rock In The Weary Land“ (kaum) zu (über)hören. Kein Zufall wohl, dass die Dinge just wieder ins Reine kamen, als Scott „genug vom Lärm“ seines New Yorker Exils hatte und zurück nach Findhorn ging. Die großen Augen werden noch einen Tick größer, wenn er von der Nestwärme und „Wahrhaftigkeit“ in der „spirituellen Gemeinschaft“ im Norden Schottlands schwärmt. Seine Karriere indes ließ sich von dort nur schwer in Gang halten (zumal noch ohne iMac). „Irgendwann war klar: Ich muss wieder nach London, wenn ich als Musiker wirklich weitermachen will.“ Sein Unbehagen angesichts des extremen Reiz-Overkill der Moderne zur Milleniumswende reflektiert Scott gleich in den ersten beiden Songs seines neuen Albums, in „Night Falls On London“ und dem gewohnt epischpathetischen „My Love Is My Rock“. Große Städte, so sagt er, seien „nur eine große Illusion“ im Kontrast zu der „realen Welt“ in den schottischen Highlands. „Wie ein Alien“ sei er sich zunächst in London vorgekommen. Er sah dort – ganz der alte Dramatiker „ein Irrenhaus, ein Festival der Werbung, Grausamkeiten unter der Maske des Humors, Gewalt, Klatsch und Geld“. Von letzterem hatte Scott nach dem Rauswurf bei seiner alten Firma nicht mehr allzuviel.
Gewiss: Tantiemen aus den alten Alben sorgen fürs täglich Brot, und für den iMac hat’s ja auch noch gereicht. Doch sein Haus in Findhorn musste Mike Scott verkaufen, um seine letzten Pfunde fürs neue Album zu mobilisieren. Schlecht ging es ihm dabei allerdings nicht: „Gab mir ein gutes Gefühl, eigenes Geld zu investieren statt das einer Firma. Ich fühlte eine neue Verantwortung.“ Die hatte er zuletzt auch musikalisch an Co-Produzenten abgegeben, aber „das funktioniert nicht für mich, was mir besonders nach den Solo-Alben auffiel. Es wird zu demokratisch. Heute treffe ich die Entscheidungen wieder allein.“ Nur ein Zugeständnis macht er:“Ich spiel es meiner Frau und meinem Manager vor. Das muss reichen.“
So hat der kleine Karriere-Knick sein Selbstvertrauen nicht erschüttert, vielmehr Trotz geweckt – und eine „neue Entschlossenheit, es allen nochmal zu zeigen“. Ziehen Körper und Geist eines 41-Jährigen da immer mit? „Ich brauche jetzt schon Pausen, mein Körper holt sie sich einfach. Früher schrieb ich ohne Unterlass“, sagt Mike Scott, „heute bringe ich die Energie dafür nur auf, wenn ich sie auch wirklich brauche. Wenn ich schreiben muss – bumm!, dann ist sie da.“ Er brennt also wieder, auch wenn die ganz große Erleuchtung manchmal ausbleibt „Viele Leute heute singen über nichts mehr“, will Scott erkannt haben. „Selbst bei der Mercury Rev-Platte ist es so. Ich liebe die Musik, doch die Texte sagen mir gar nichts. Ich komme nun mal aus einer Ära, wo die Texte noch Kraft hatten, noch etwas wagten. Ich will etwas sagen mit meinen Texten – nicht einfach nur clever sein.“ Das kannn man von seiner Lyrik zwischen Gospel-Pathos, Prediger-Emphase und grimmer Weltflucht wahrlich nicht behaupten. Dass seine Musik im diffus Religiösen wurzelt, weiß man seit „A Girl Called Johnny“. Die Götter tragen hier eben Namen wie Patti Smith.