Coldplay
Mit ihrem Debüt "Parachutes" marschierten sie gleich auf Platz 1 der britischen Charts. Im Rahmen der "Roadshow" kommen die blutjungen Hoffnungsträger nun auf ihre erste Deutschland-Tournee
Diesmal kann man dem Hype getrost Glauben schenken: Coldplay sind die beste neue britische Band. Dafür haben Sänger und Gitarrist Chris Martin, Bassist Guy Berryman, Gitarrist Jonny Buckland und Drummer Will Champion, die aus den verschiedensten Ecken Großbritanniens stammen, aber auch hart gearbeitet. Vor der Veröffentlichung des süperben Debütalbums „Parachutes“ pflasterten die drei EPs „Safety“, „Brothers & Sisters“ und „The Blue Room“ sowie 18 Monate des Tourens auf der Insel den steinigen Weg des Quartetts. Nachdem „Parachutes“ stante pede den ersten Platz der britischen Album-Charts erobert hatte, gelang ihm einige Zeh später auch in Deutschland der Charteinstieg.
Vor einer Tour in Amerika hat man noch „ein bisschen Angst“ – und auch im Vereinigten Königreich und Rest-Europa genug zu tun. Gitarrist Jonny erinnert sich schmunzelnd an die Anfange der Jungspunde, die sich ’96 an einem Londoner College anfreundeten: „Für einen Gig trugen wir mal den Namen Starfish. Ein schrecklicher Name. Glücklicherweise kannten wir aber einen Typen, der in einer Combo spielte, die alle zwei Wochen ihren Bandnamen wechselte. In der Woche, in der wir dringend einen brauchten, hießen sie gerade Coldplay. Als sie auch diesen Namen nicht mehr mochten, bekamen wir ihn.“
Doch dies war nicht der einzige Zufall in der bisher so viel versprechenden Vita der hochtalentierten Sensibilisten: Im Video zum Song „Yellow“ läuft Sänger Chris Martin, gezeichnet von Sturm und Regen, am anfänglich noch stockdunklen Strand entlang. Es wird heller und heller, bevor der Himmel am Ende des Songs in der optimistischen Farbe Gelb erstrahlt – so wie sich auch die scheinbar desperaten Texte Martins am Ende vieler Stücke ins Positive kehren. „Beim Videodreh war das Wetter am Set so schlecht“, erklärt Martin, „dass wir das Video in der Form, in der es ursprünglich geplant war, gar nicht realisieren konnten. Daher kam es zu diesem Produkt des Augenblicks.“
Der Clip ist auch deswegen so gut, weil er sich ganz auf den Song konzentriert. Travis nicht unähnlich, sind Coldplay eine Band, bei der man aufgrund der Brillanz und der einfachen Schönheit des Songmaterials ohnehin nicht daran vorbei kommt, sein Augenmerk allein auf Wort und Ton zu legen. Davon abgesehen, dass Coldplay mit Skandalen und Großmäuligkeiten sowieso nicht aufwarten können (Jeder von uns hat seine special lady. An Groupies oder daran, mit Fans auszugehen, sind wir also nicht interessiert.“), ist dies auch völlig ausreichend, denn die Stücke Coldplays sprechen mühelos für sich selbst „Don’t Panic“ erzählt davon, wie alles ja noch viel schlimmer sein könnte und wie gut wir es eigentlich doch haben. „Es ist ganz und gar keine Ironie, wenn ich „We live in a beautiful world“ singe. Wenn wir uns das nicht ständig sagen würden, gäbe es ja keinen Grund, zu leben. Meine Texte sind nicht verzweifelt – es geht um verschiedenste Emotionen, die jeder von uns erlebt.“ Das sehr persönliche, etwas paranoide und sinistre „Spies“ kommt wie eine Verschwörungstheorie daher. Und angesprochen auf das elegische, vom Piano getragene „Trouble“, gesteht Jonny Buckland ein, dass der Text doch sehr an John Lennons „Jealous Guy“ angelehnt sei. Eine Huldigung sozusagen, mitnichten ein Rip-off, und die nächste Single aus „Parachutes“. Chris Martins herzerweichendes Organ gemahnt mal an Jeff Buckley, mal sogar an Nick Drake.
Es ist erstaunlich, wie viel Sentiment und Zerbrechlichkeit die gerade mal knapp über 20-Jährigen in ihre Musik legen. Wer Martin einmal auf der Bühne erlebt hat, vor seinem kleinen Piano sitzend und das erratische „Everything’s Not Lost“ hat singen hören, der wird diese Momente, diese Stimme, so schnell nicht wieder vergessen.
Ein Charismatiker mit Entertainer-Qualitäten ist Chris Martin obendrein, wenn er gefühlvoll über Wehmut, Liebe und Verlust singt. Und auch der Album-Titel „Parachutes“ scheint genau ins Bild zu passen: „Fallschirme sind nicht nur nützliche Objekte, die einen aus einer schlimmen Situation retten“, erläutert Martin, „sondern sie sind auch in anderer Hinsicht ein bisschen so wie unsere Songs: Erst denkt man, alles sei trostlos – und später genießt man sie dann.“