Heroisch wider Windmühlen
Den Country-Rock-Ästheten Sid Griffin und seine britischen Gefolgsleute drängt es mit Western Electric wieder einmal zu neuen Ufern
Das Wetter spielte mit beim „Orange Blossom Special“ in der ostwestfälischen Pampa. Die rührigen Roots-Entrepreneure von Glitterhouse, Veranstalter des kleinen, aber famosen Pfingstfestivals und dortselbst zu Hause, schienen im Bunde zu sein mit den Mächten des Himmels. Die öffneten nur ein einziges Mal ihre Schleusen über Beverungen, es regnete kurz und heftig. Das Publikum nahm’s gelassen, stellte sich unter eilends verteilte Plastikplanen und lauschte weiter gebannt den herben Harmonien, spartanischen Rhythmen und silberhellen Steel-Sounds von Western Electric „War ja klar, dass es uns treffen musste“, mault anderntags Sid Griffin in gespielter Verzweiflung. Dabei hätte der Mann einigen Grund, den Blues zu schieben. Es schien immer nur bergan gegangen zu sein in seinem Musikerleben. Mit den Long Ryders angeritten gegen die Ignoranz der Geschäftemacher einer großen Plattenfirma. Mit Herzblut Biografie des Country-Rock-Visionärs Gram Parsons geschrieben und vom Verleger keinen Cent gesehen. Mit den Coal Porters gegen Windmühlen gekämpft, ein sehr schönes Solo-Album in den Treibsand der Vertriebe gesetzt, das eigene Label mühsam über Wasser gehalten. Wenn man ihm so zuhört, fragt man sich minütlich, warum und wofür Griffin diese emotionalen und pekuniären Strapazen auf sich nimmt Und nun abermals auf die Rolle. Neue Band, neues Unglück?
Nein, denn Sid Griffin kann gar nicht anders. Ein Überzeugungstäter, so tief verstrickt in die Historie und Ästhetik seiner Musik, dass kein Herakles die Fäden entwirren, kein Damoldes sie zerschlagen könnte. Es hat tatsächlich etwas auf sympathische Art Heroisches, auf seltsame Art Berührendes, wie beherzt und zugleich illusionslos Sid über seine Pläne mit Western Electric spricht. Das Band-Personal rekrutierte Griffin im britischen Roots-Rock-Biotop, einer so überschaubaren wie verschworenen Trutzgemeinschaft von Vollblutmusikern, die zumeist vom Punk kommen und vom Pop nichts wissen wollen. Sids langjähriger Sidekick Pat McGarvey ist wieder mit von der Partie, der Pedal-Steeler Neil Robert Herd und Drummer Dave Morgan, der einst Mitglied der Weather Prophets war und danach mit den Rockingbirds die Country-Rock-Eahne flattern ließ. Was das Quartett eint, ist nicht nur die Liebe zu Americana, nicht nur ein seltener Respekt voreinander, sondern das starke Gefühl (die Gewissheit, prahlt Griffin), dass sie mit Western Electric endlich ein Vehikel gefunden haben, das sie weit tragen wird. Das musikalische Potenzial dieser speziellen Combo, meint McGarvey, sei enorm. Einen ersten Beweis dafür lieferte bereits das recht abenteuerliche, phantasielos nach der Band betitelte Debüt-Album. Sanft-psychedelischer Ambient-Country-Pop. Mit einem vordem unbekannten Song aus dem Nachlass des genialischen Gene Clark. Eine feine Platte, für die sich allerdings lange kein Label finden ließ. Die LP sei schwer zu vermarkten, hörte Griffin häufig, sie passe in keine Schublade.
Einen weiteren Beweis hatten Western Electric geliefert, als sie im Regen erst zu Hochform aufliefen. Unter solch widrigen Umständen zeigt sich der Charakter einer Band. Wie bei einer durch Platzverweis dezimierten Fußballmannschaft. Nun erst recht. So wuchsen Sid Griffin und seine Partner im Platzregen ein Stück über sich hinaus. Prima. So heißt auch Griffins Label. Musik ohne Allüren, straight from the heart. So der Titel des von Griffin geborgenen Gene-Clark-Schatzes. Fürs Publikum galt nach dem Gig das Sentiment eines ungleich bekannteren Clark-Juwels: Feel a whole lot better.