Mal eklektizistisch, mal genuin
Die Vorbilder können Spearmint nicht leugnen, aber ihre Devise lautet: Auch durch die Reproduktion entsteht immer etwas überraschend Neues
Man könnte ohne Zweifel Stunden damit verbringen, für die Pop- und Rockmusik wegweisende Bands aufzuzählen, deren Herkunftsort London heißt. Mit Spearmint hat sich, hier zu Lande erwartungsgemäß unbemerkt, eine weitere dazugesellt. Dabei existiert das Quintett bereits seit 1995, veröffentlichte mit „Songs For The Colour Yellow“ vor zwei Jahren eine feine Kollektion früher Singles und EPs und steht nun mit seinem ersten regulären Album „A Week Away“ in den Startlöchern.
Sänger und Songschreiber Shirley Lee zeigt sich mit dem Status Quo, besonders im eigenen Lande, schon sichtlich zufrieden: „Wir sind nicht wirklich groß, aber die Leute wissen, wer wir sind, und unsere Platten werden gespielt. Wir sind zwar auch schon mit Blondie und den Flaming Lips aufgetreten, aber glücklicherweise reicht unser Bekanntheitsgrad in England aus, um Club-Gigs als Headliner zu spielen, was wir auch am liebsten tun.“
Auf „A Week Away“ präsentieren Spearmint („Wir wollten einen Namen, der keine große Bedeutung hat, jedoch trotzdem erfrischend klingt.“) eine zwar eklektizistische, aber auch höchst genuin klingende Melange aus den verschiedensten Pop-Ansätzen der letzten Jahrzehnte. So fühlt man sich besonders an Prefab Sprouts „Swoon“ oder „Our Favourite Shop“ von The Style Council erinnert. Shirley Lee schätzt diese Bands, ist aber nicht der Meinung, Spearmint hatten möglicherweise vor, exakt wie eine bestimmte andere Formation zu klingen. Vielmehr gebe es auch anno 2000 noch eine ganze Menge Überraschendes und Unverbrauchtes zu hören: „Alles, was heute an Musik veröffentlicht wird, ist irgendwie neu. Selbst wenn man lediglich seine Lieblings-Bowie-Platte reproduziert, kommt ein ganz neues Resultat dabei heraus. Die Beatles haben alte R&B-Alben gehört, und Oasis wiederum versuchen, wie die Beatles zu klingen, doch es ist stets etwas Neues!“
Beinahe rührend, dass Lee auf dem Song „Sweeping The Nation“ einige Namen von Bands in die Runde wirft, die noch viel unbekannter als Spearmint sind und von denen man wahrscheinlich nie etwas hören wird, da deren Grundvoraussetzungen ungleich schlechter sind. „Auf jede bekannte Band, die man sich anhört, kommen drei Bands, die man nicht kennt, die einem aber vielleicht noch viel besser gefallen würden“, sagt Lee. ,“Sweeping The Nation“ handelt aber primär davon, sich durch niemandem von seinem Weg abbringen zu lassen. Die von mir aufgezählten Bandnamen sind Resultat von Improvisationen bei Live-Konzerten, doch dann haben wir das einfach so stehen gelassen.“
Wie um jede große Popband, rankt sich auch um Spearmint ein Hauch von Tragik. „A Week Away“ haben sie ihrem ehemaligen Bassisten Martin Talbot gewidmet, der bereits mit 29 an Herzversagen starb. Lee und die anderen haben ihn aber als den lustigen Kerl in Erinnerung behalten und blasen keine Trübsal mehr. Und als wolle er das unterstreichen, gedenkt Lee des Deutschunterrichts in der Schule: „Das Einzige, was ich behalten habe, ist „Hans steht unter dem Wasserfall.“