Tränen vor der Bühne
Die Flaming Lips führen nicht nur die Kritiker-Polls an - sie werden jetzt auch populär
Sowas kommt von sowas. Ein klitzekleiner Moment nur, in dem die Welt innehält, und schon ist’s passiert. „Popkultur steht ja nicht für sich allein“, sagt Wayne Coyne, „sondern im Kontext mit Film, Mode, TV und Internet-Trends. Und manchmal greifen halt alle Rädchen ineinander und peng!“ Hätten er und seine Band Flaming Lips ihr Album „The Soft Bulletin“ nur sechs Wochen früher oder später veröffentlicht „und wären nicht Mercury Rev zum Hit und wir in ihr Kraftfeld gerückt geworden, tja, wer weiß, wo wir dann heute ständen?“ Jedenfalls wohl kaum in allen Jahresbestenlisten, denn da hätte die Band schon all die Jahre zuvor hingehört. Zum Glück aber hat es nicht eher geklappt „Erst hat man uns gar nicht bemerkt, dann gehasst, dann akzeptiert – und schließlich überraschten uns tatsächlich echte Fans.“ Ein guter Weg zu bescheidenem, aber gutem Ruhm, wie Wayne Coyne findet. „Bei uns schreien keine Teenies in den ersten Reihen herum, da stehen die Musikliebhaber und lecken sich die Lippen oder gucken auch mal skeptisch. Unter den Musikern haben wir garantiert mehr Neider als Britney Spears.“
Und unter den Kritikern fast nur noch Bewunderer – wenn die sich bloß nicht alle in die falsche Frau verliebt hätten. „Wir hatten uns ja mal fest dazu entschlossen, niemals so wie etwa Sonic Youth ohne einen gewissen Ernst über Liebe und Tod zu singen. Dann kam diese Platte, und keiner glaubte uns mehr. Die entdeckten alle unheimlich viel Ironie und Zynismen und fanden das ganz toll. Wir aber schauten uns verwundert an. „So war das nicht gemeint gewesen. Weil man aber schon früher über die Fläming Lips gelacht hatte, da das Verstehen nie einfach war, „haben wir inzwischen eine dicke Haut. Sollen sie sich doch auf die Schenkel schlagen oder, was manchmal wirklich passiert, vor der Bühne weinen! Uns bringt das nicht mehr aus der Ruhe.“
Und auf der anderen Seite beschert der Erfolg ja auch den Flaming Lips manch unerwartetes Amüsement. Zu komisch nachzulesen etwa, wie bald jeder Rezensent den Reichtum ihrer Inspirationen und Zitate rühmt. „Was gar kein Wunder ist“, wie Coyne bemerkt, „denn wir haben nie versucht, mit Geschick eine Originalität vorzugaukeln, die es gar nicht gibt Eben weil es sie gibt“