Geadelt von Premiers Gnaden
Weil Tony Blair die Folk-Rock-Songs von EZIO mag, wurde das Duo über Nacht auf der Insel populär. Dennoch blieb es lange ohne Plattenfirma
Notizen von Nebenschauplätzen des Pop-Geschehens: Ezio Lunedei und Mark „Booga“ Fowell, ein in Cambridge ansässiges Duo italienischer beziehungsweise kenianischer Abstammung, füllte kürzlich das Shepherds Bush Empire mit 1400 Fans – ohne Agent, ohne Promoter, ohne Plattenfirma. „Plötzlich nahmen uns auch die Leute wahr, die uns sonst ignoriert hatten – und taten so, als ob sie uns schon seit Jahren kennen würden“, lacht Lunedei, der die Kindheit auch bei Opa und Oma Italien verbrachte. Aus dem eigenen Schlafzimmer raus brachten sie mit per E-Mail und Fax mehr Presse an den Start, als es teuer bezahlte Promoter je schafften. Einige Radiosender organisieren sogar schon Busfahrten zu ihren Shows.
Tony Blair hatte schon vor diesem Schachzug ihre melancholischen Folk-Rock-Songs entdeckt. Es war zu der Zeit, als Ezio von zwei verschiedenen Major-Labels „kriminell unter Wert“ (Fowell) verkauft wurden. Als sie „Opfer dieser Scharmützel zwischen ASiR, Marketing und Management“ wurden, man sie einfach in die große englische Pop-Maschine gesteckt hatte und in irgendwelchen Kinder-Shows vorführte, wo „die Kids dachten, da kommt der betrunkene Onkel, der Weihnachten immer die Feier aufmischt“. Der Premier in spe also hatte Ezio und ihrem Song „Cancel Today“ (vom 95er-Debüt „Black Boots On Latin Feet“) einen Platz bei seinen „Desert Island Discs“ eingeräumt, die er vor seiner Wahl im britischen Radio vorstellte – immerhin zwischen den Beatles, Debussy und Springsteen. Lunedei rekapituliert „einige der bizarrsten Monate meines Lebens. Denn die Presse titelte natürlich: Who the fuck is Ezio?! Keine Ahnung, wie ausgerechnet er an unsere Musik geriet.“ Pikant obendrein, dass „Cancel Today“ ein Song über Arbeitslosigkeit ist, über einen Typen, der partout will, dass die Frau blaumacht und bleibt, um nicht mit der Leere in seinem Dasein konfrontiert zu werden. „Eine Erfahrung, die gewiss viele Musiker gemacht haben“, lacht Lunedei. Politiker offenbar auch.
Der Hype durch Blair hat sich inzwischen wieder gelegt. Statt dessen können Ezio langfristig auf einen Mann bauen, dessen Name nicht so schillert, aber als Türöffner dennoch hilft. Peter Van Hooke, Ex-Zirkus-Trommler und langjähriger Musiker für Van Morrison, produzierte nicht nur das neue Album „Higher“, sondern gewährte im eigenen Studio auch Sonderkonditionen für seine Schützlinge, die ihr drittes Werk noch ohne Plattenvertrag und Management angegangen waren. „Peter ist ein einheimlich musikalischer Schlagzeuger“, schwärmt Ezio Lunedel. „Diesmal haben wir unbehelligt von irgendwelchen Erwartungen wirklich ein Album gemacht, nicht einfach einen Haufen Songs.“