Robin Hoods exotische Erben
Die indobritische Band Asian Dub Foundation ist die neue Agitprop-Speerspitze - mit Hip-Status
Radikale jedweder Couleur haben Hochkonjunktur in England spätestens seit sich die Haschwolken der swinging sixties verzogen haben. Natürlich auch im heutigen Popbiz. Selten jedoch kam es vor, dass eine politisch engagierte Band wie die Asian Dub Foundation von Freund und Feind derart fanatisch als die potenzielle Nummer eins der britischen Charts prognostiziert wurde. Das dritte Album der indobritischen Agitprop-Formation – schlicht nur „Community Music“ betitelt – stieg dann aber doch nur auf einem bescheidenen 20. Rang in die Hitparade ein.
Eine Konfrontation mit der Realität, die bei einer herkömmlichen Popband garantiert Suizidgedanken ausgelöst hätte, aber bei den beiden ADF-Köpfen Aniruddha „Dr. Das“ Das und Steve Chandra Savale alias „Chandrasonic“ jedoch eher für Erleichterung gesorgt haben dürfte.
Die beiden Londoner Sozialarbeiter, die ihre musikalische Karriere in jener gemeinnützigen Einrichtung begannen, deren Name nun auch das neue ADF-Album trägt, sind eigentlich gar nicht erfreut über den Rummel, der um ihr Projekt gemacht wird. „Viele Leute, speziell die. denen wir jetzt diesen Hype zu verdanken haben, suchen in uns eigentlich nur das Exotische und schmücken sich anschließend vor ihren Freunden damit, dass sie politische Popmusik hören, die obendrein noch von .diesen süßen, exotischen Indern‘ gemacht wird“, schnaubt Chandrasonic mit hörbarer Verachtung, die affektierte Oberflächlichkeit der Londoner Hipster karikierend.
Angesichts des unbestrittenen dancefloor appeal muss man sich schon mit den Inhalten ihrer musikalischen Manifeste auseinander setzen, um auf den – vermeintlich exotischen – indischen Impetus der ADF zu stoßen. In musikalischer Hinsicht ist ob der vielschichtigen Einflüsse aus Reggae, Jungle, Punkrock und House nämlich kaum ein Querverweis in Sachen indischer Folklore auszumachen. Dafür geht es in den von Deedar „Master D“ Zaman im Ragga-Style gerappten Texten immer wieder um eklatante soziale Missstände, politische Machtspiele und Geschichten aus dem Alltag von Asiaten mit britischem Pass.
Spätestens seit ihrem zweiten Album „Rafi’s Revenge“ gelten die fünf ADF-Mitglieder als echte role modeb für die vielen jungen Neu-Engländer, die nicht mehr als eher unwillkommene Angehörige eines – im Laufe der Geschichte zufällig dem britischen Empire einverleibten – fremden Kulturkreises behandelt werden wollen, sondem einfach nur als ganz normale Briten unter Briten.
„Community Music“ wurde zu Beginn der 90er Jahre von Dr. Das als Workshop gegründet, um die Kids der aus den abgewirtschafteten Empire-Kolonien ins „gelobte Land“ geflohenen Familien zu ermutigen, eigene musikalische Wege und Ausdrucksformen zu finden, eine eigene kulturelle Identität. Inzwischen hat die aus dieser Community hervorgegangene Asian Dub Foundation ihren eigenen „educational wing“ gegründet, die ADFED (ADF Education). Hier soll Newcomer-Bands das Rüstzeug in puneto Selbstbewusstsein mit auf den Karriereweg gegeben werden. „Das, die katastrophale Sozialpolitik von Tony Blair und unser Engagement für den seit Jahren unschuldig und nur aufgrund seiner Herkunft inhaftierten Landsmann Satpal Ram sind die primären Dinge, die die ADF ausmachen und antreiben. Nr.-1-Hits oder Titelstories in Hochglanzmagazinen sind mir daher weiterhin relativ egal.“
Der Sherwood Forest, man glaubt es kaum, liegt mitten in London. Und die Kämpen im Geiste Robin Hoods heißen heute ADF.