Die Wahrsagerin entscheidet
Dem Hardcore von Life Of Agony hat KEITH CAPUTO ade gesagt. Solo zieht er leise Töne vor
Einen kleinen Knacks hat Keith Caputo ja schon. Er wird seinem Namen eben gerecht. Mit Life Of Agony machte er einige Jahre lang recht kaputten Hardcore, der am Ende in eher durchschnittlichen Alternative-Rock abdriftete. Dann stieg der Italo-Amerikaner aus – einige behaupten, weil seine Wahrsagerin ihm von der Europa-Tournee abriet, andere bescheinigten ihm schlicht Irrsinn.
Er selbst sieht zwar ein, dass er damals vielleicht ein paar Drogen zu viel genommen hat, aber die Gründe für seinen Abgang waren anderer Natur: „Manchmal muss man einfach einsehen, dass man nicht mehr co-existieren kann. Wenn man jemanden liebt, muss man ihn auch gehen lassen. Die engste Beziehung habe ich jetzt zum eigenen Herzen.“
Die bösen Macho-Metaller haben seine Sensibilität nie verstanden, über seine spirituellen Ideen meistens gelächelt. Außerdem gefiel Caputo der Sound gar nicht mehr. „Ich war nie ein Life-Of-Agony-Fan. Ich besitze ja auch keine einzige Metal-Platte. Ich wuchs mit den Doors auf, mit Led Zeppelin und Pink Floyd – aber auch mit Beethoven und Chopin.“ Der Blick schweift in die Ferne, wo er kurzzeitig eine glorreiche Zukunft zu sehen scheint, die ihm leider verwehrt blieb. „Ich wollte früher mal ein klassischer Pianist werden. Manchmal bedauere ich, dass ich es nicht forciert habe. Vielleicht habe ich irgendwann genug Geld, um mich wieder darauf zu konzentrieren und Unterricht zu nehmen.“
Momentan muss er allerdings noch im Gewerbe der U-Musik arbeiten. Ein Umstand, der den Yoga-Anhänger nicht gerade glücklich macht, obwohl er mit seinem ersten Soloalbum „Died Laughing“ sehr zufrieden ist „Es gibt in diesem Geschäft zu viele herzlose Wissenschaftler, die mich wie eine Ratte ins Laufrad setzen und beobachten wollen.“ Seine Ex-Bandkollegen zählt er nicht dazu. Nein, die Zeit mit LOA bereue er nicht, aber: „Geschmack ändert sich, Zeiten ändern sich. Ich hatte nie das große Interesse an dieser Teenage-Angst-Musik, sondern hab vor allem der Kumpels wegen mitgemacht“.
Inzwischen schreibt er schon Songs für Soloalbum Nr. 2 und 3, die ähnlich „zerbrechlich, romantisch und gespenstisch“ wie das größtenteils akustische Debüt werden sollen. Ein Lied von „Died Laughing“ hat er einem Kollegen gewidmet: „Cobain (Rainbow Deadhead)“ unterstützt die These, dass der Nirvana-Sänger ermordet wurde. „Ich kann seinen Schmerz verstehen, sein Genie und seine Verrücktheit, dieses Chaos – entweder ist man unglaublich glücklich, oder man denkt, die brennende Pest bricht gerade in einem aus. Die Leute hätten ihn einfach in Ruhe lassen müssen. Er hatte zu viel Druck von außen.“ Da Caputo an eine höhere Macht glaubt („Gott ist die Gegenwart“), glaubt er auch daran, dass Kurt nicht für immer von uns gegangen ist: „Der Tod ist eine neue Chance.“
Was ihn selbst betrifft, so weiß er, dass er aus dem Gröbsten raus ist. Seit er von New York nach Amsterdam gezogen ist, nimmt er keine Drogen mehr, und die Jungs von LOA sind ihm auch nicht mehr böse, obwohl sie mit ihrem neuen Sänger gescheitert sind. Caputo kommt bestimmt nicht zurück: „Wenn du deinen Freund nicht mehr liebst, machst du irgendwann auch nicht mehr die Beine für ihn breit, sondern gehst, um dein Glück woanders zu suchen. Solo bin ich sehr froh und zuversichtlich.“ Mit der Wahrsagerin trifft er sich hin und wieder dennoch. Birgit Fuss