Creation Bye Bye
Die Freimütigkeit mit der Alan Mc-Gee über sein Label-Imperium spricht, nachdem er ihm den Rücken gekehrt hat, ist frappierend. In Wahrheit, sagt er, habe Creation Records öfter als einmal knapp vor der Pleite gestanden. Im Frühjahr 1992 sei die finanzielle Schieflage so prekär geworden, dass er alle Grundsätze habe fahren lassen müssen. McGee verkaufte 49 Prozent seiner Indie-Firma an Sony. Der Anfang vom Ende, wie er es heute sieht „Ich hafte plötzlich zweieinhalb Millionen Pfund auf dem Konto, wo bis dahin nur ein Krater war. Meine Ideale? Vergiss es, ich hatte ganz andere Probleme. I was a total fiicking drug addict“
McGees Ideale waren intakt, als er 1983 mit seinen Freunden Dick Green und Joe Foster ein Label ins Leben rief, das Punk und Psychedelia versöhnen sollte und das er nach einer seiner Sixties-Lieblingsbands benannte, The Creation. Ein schmaler Bankkredit von tausend Pfund reichte als Anschubfinanzierung, doch musste jeder Penny dreimal umgedreht werden, bevor man ihn ausgab. „Das klingt aus heutiger Sicht abenteuerlich, war damals aber alles, was wir kannten. Die Entbehrungen nahmen wir gern in Kauf, denn wir wurden dafür reichlich entschädigt, wenn wir eine neue Single herausbrachten. Stolz und Hass waren unsere Motivationen. Stolz auf unsere Platten, Hass auf den allgegenwärtigen Plastikschrott, der die Charts beherrschte.“
Die erste Creation-45, „73 In 83“ vom singenden Musikjournalisten The Legend, war ein grandioser Flop. „In jeder Beziehung“, meint McGee, „das Ding war grauenhaft.“ Bessere Singles folgten, von so famosen wie harmlosen Beatbands. The Jasmine Minks, The Loft, Revolving Paint Dream. Erst mit den Debüt-45’s von The Jesus & Mary Chain und Primal Scream avancierte das bis dahin eher belächelte, ganz dem Gestern verschriebene Label zu einer beachteten Talentwerkstatt Creation ermutigte Bands, ausgetretene Pfade zu verlassen, musikalisch wie in Sachen Imagepflege. Crearion-Acts erfreuten sich völliger Freiheit während anderswo fleißig geclont wurde.
Die schottischen Feedback-Rebellen The Jesus 8i Mary Chain, in jenen Tagen der Inbegriff von Coolness, dankten es McGee, indem sie ihn als Manager feuerten. Ihre epochale Debüt-LP „Psychocandy“ war bereits bei einem Designer-Lidie-Label veröffentlicht worden, das den Gebrüdern Warner gehörte. McGee warf jedoch nicht das Handtuch, sondern haute eine Platte nach der anderen hinaus, viele gute, einige wichtige. Von Feit und My Bloody Valentine, The House Of Love und Teenage Fandub. Und dann, 1991, nachdem die Musikpresse JVladchester“ bereits zu Grabe getragen hatte, als die Trendies über Acid-House längst die Nase rümpften, konterte Creation mit dem Primal Scream-Album JScreamadelka“. Ein Album, das mit seiner ingeniösen Fusion von Rock-Grooves und Dancefloor eine ganze Ära definierte. Und das mit einem Recording-Budget von einer viertel Million Pfund McGee beinahe in den Konkurs trieb.
Enter Sony.
Zwei Jahre später verpflichtete McGee Oasis, verdiente zig Millionen und verlor etliche Tassen in seinem Schrank. Während „Morning Glory“ den Weg in jeden dritten britischen Haushalt fand, versorgte der Label-Tycoon seine Nase mit Puder, New Labour mit Kohle und die Presse mit gequirlter Hybris. „Die neuen Beatles„, so verkündete er in Knebworth, wo Oasis vor 250 000 Fans spielten, habe er ja schon. Als letzte Ambition bleibe ihm daher nur noch, „the next Rolling Stones“ aufzuspüren.
Von der Idee her nicht schlecht, blieb die Suche indes erfolglos. Statt dessen veröffentlichte McGee beängstigend belanglose Musik von Mishka und verstörend persönliche von Kevin Rowland. Platten, die nur eines gemeinsam haben: Sie fanden keine Käufer. Jedenfalls nicht mehr als die allerersten Creation-Scheiben vor 16 Jahren.
Am 31. Januar wird mit dem neuen Album von Primal Scream das letzte Kapitel Creation-Geschichte geschrieben werden. „Swastika Eyes“, die aktuelle Primals-Single, wurde von Sony schon mal zu „War Pigs“ entschärft. Aus London kamen keine Einwände. McGee war nicht erreichbar, und seine 40 Angestellten haben derzeit existentiellere Sorgen. Während ihr Ex-Boss dabei ist, Risikokapital für sein neues Projekt aufzutreiben: Irgendetwas mit Internet Die Konsequenzen von Mc-Gees Sprung ins Net für Oasis seien, so Noel, „sehr weitreichend“. Überhaupt nicht in Betracht käme ein direkter Deal mit Sony oder einem anderen Major. Worauf es wohl hinauslaufen werde, sei ein eigenes Label. Wie Apple. Liam würde es „Mambo Jambo“ nennen, Noel dagegen lieber „Big Brother“.