Geplant irre und abgebrannt
Bill Drummond und Jimmy Cauty sind ziemlich verrückt. Totale Spinner, eigentlich. Was ihnen manchmal selbst Angst macht: „Uns beherrschen Impulse, von denen wir lieber nicht beherrscht wären“, gab Bill einmal zu. Daß sie ihr Vermögen von einer Million Pfund verbrannten, ist nur ein Beispiel dafuc Eigentlich kennt man das Duo unter dem Kürzel KLF (Kopyright Liberation Front). Singles wie „What Time Is Love?“ oder „3 AM Eternal“ erfreuten sich Anfang der 90et Jahre in den Discotheken großer Beliebtheit 1991 verkauften Bill und Jimmy weltweit mehr Platten ab jede andere britische Band. Als die englische Musikindustrie sie dafür mit dem begehrten „BritAward“ auszeichnete, dankten KLF, indem sie die Ehrengäste aus Maschinengewehren mit Platzpatronen beschossen. Am Tag daraufließen sie ihre Platten aus dem Handel ziehen.
Die Geldgier der Musikbranche verachteten Bill und Jimmy von jeher. Ihr erster Nr.-1-Hit (als Timelords), JDoctorin‘ The Tardis“, war eine clevere Mischung aus Samples diverser Sweet-Songs und der Titelmelodie der Kult-TV-Serie JDr. Who„. Kaum hatte die Single die Charts erobert, lieferten die beiden das Patentrezept nach, mit dem jeder zu Hit und Geld kommen konnte: „The Manual. How To Have A Number One The Easy Way“ erschien in einer schnell vergriffenen Auflage von nur 7000 Exemplaren. Als „Das Handbuch. Der schnelle Weg zum Nummer-1-Hit“ (Gestalten Verlag Berlin, 132 S“ DM 25) kommt es nun zum 10jährigen Jubiläum auch auf Deutsch heraus.
So ganz aktuell ist es ja nicht mehr, Spaß macht die Lektüre aber immer noch. Arbeitslos zu sein, so erfahrt man etwa, ist Grundvoraussetzung für eine Karriere als Chartstürmer. Nur dann habe man genügend Muße, sich die Hitparade regelmäßig anzuhören, um das ewig gleiche Muster zu kapieren, nach dem der Chart-Pop gestrickt wird. Ansonsten brauche man nur getreu den Anweisungen vorzugehen, um die Spitzen der Charts zu erklimmen, versprechen Bill und Jimmy.
Am Fallbeispiel von „Doctorin‘ The Tardis“ beschreibt das Handbuch detailliert den Weg, den eine Single von der Konzeption bis zum Nr.-1-Hit zurücklegt: Studio, Produktion, Cutting, Presswerk, Coverdesign, Labelwahl, fertrieb, Finanzierung und, vor allem, geschickte Manipulation der Medien. Lesenswert ist das Buch selbst dann, wenn man keine Ambitionen hat, den sicheren Hit zu landen, wie es die österreichische Band Edelweiss vorexerzierte. Die hielt sich penibel an die Anweisungen: Dir „Bring Me Edelweiss“ landete ’89 europaweit auf Platz 1 – und machte die bislang unbekannten Amateurmucker schlagartig reich.
Bill und Jimmy hatten zum Geld, das sie mit ihrer Musik verdienten, schon immer ein recht eigenwilliges Verhältnis. 1989 schmissen sie bei einem Rave ihr Honorar unters tanzende Volk. Als KLF ein paar Jahre später über eine Million Pfund auf der hohen Kante hatten, wollten sie das Geld nach ihrem spektakulären Ausstieg aus dem Musikbiz sinnvoll in die Kunst investieren. Dazu gründeten sie eine Stiftung namens K Foundation.
„Wir hatten viele Ideen, was wir mit der Million anfangen könnten“, erklärte Bill. „Trotz langer Überlegungen war keine einleuchtender als die, sie zu verbrennen.“ Exakt das taten sie dann auch am 23. August 1994 frühmorgens auf einem einsamen Eiland vor Schottlands Westküste. Ein kürzlich erschienenes Buch (Chris Brook: „K Foundation Burn A Million Quid“, Ellipsis PubL London, 251S., 15 Pfund) dokumentiert dieses Verbrennungs(kunst)werk in Bildern und mit intelligent ausgesuchten Artikeln plus Stellungnahmen von Bill und Jimmy. Dabei wird klar, daß diese Aktion kein plumper Gag, sondern ein Fanal war, das den Höhe- und Endpunkt der Postmoderne markierte. Letztes Jahr verblüfften Bill und Jimmy mit ihrem musikalischen Comeback: 23 Minuten dauerte der Auftritt, bei dem sie in Rollstühlen auf der Bühne herumkurvten, während eine Blaskapelle „What Time Is Love?“ intonierte und ein Werftarbeiterchor „Fuck the Millennium“ brüllte.