Trotz Punk-Roots erweisen die SQUIRREL NUT ZIPPERS dem Hot Jazz ihre Referenz
Mit 16 tourte Chris Phillips in Punk-Rock-Bands mit 3-Akkord-Legenden vom Schlage Black Rag durch die Staaten. Gut eine Dekade später spielt der Schlagzeuger der Squirrel Nut Zippers „immer noch Punk-Rock“. Gewiß, die „Ästhetik“ sei eine andere, aber „die Energie ist dieselbe“. Phillips muß es ja wissen.
Und seinen Worten ist überdies kaum zu widersprechen, denn es ist eine Energie, die in den Staaten über 1 Million Menschen zwecks Erwerb des Albums „Hot“ in die Plattenläden trieb: Vbm unschuldigen Hinterhof-Ensemble in North Carolina, das sich zufallig beim Kellnern in italienischen Restaurants kennenlernte und nebenher „etwas wie ein Kunstprojekt“ betrieb, avancierten die Zippers beinahe aus dem Stand zur eifrig rumgereichten Talkshow- und Live-Attraktion. Dem um sie entstandenen Hype begegnet die Formation mit einem recht gesunden Mißtrauen. „So was kommt und geht recht schnell“, hat Phillips gelernt, „doch ich glaube nicht, daß wir irgendwann wieder Dayjobs machen müssen.“
Als Erklärung für ihre urplötzliche Massenkompatibilität bietet er „eine Reaktion auf Grunge“ an. Dann noch die, daß die nach einem Erdnuß-Riegel benannten Squirrel Nut Zippers „nicht einfach nur eine Swing-Band“ wären, sondern „einfach alles Mögliche“. Jedenfalls strömen Massen l6jähriger Kids in ihre Shows und wollen anschließend mit leuchtenden Augen wissen, „welche alten Squirrel-Platten sie kaufen sollen“ (Phillip).
Vielleicht war’s einfach fällig. Keine Regel besagt schließlich, daß mit Punk sozialisierte Musiker auf der Suche nach Roots-Inspiration zwangsläufig bei Johnny Cash oder Hank Williams landen müssen. Warum zur Abwechselung nicht mal beim Hot Jazz der 20er bis 40er-Jahre? „Wir verbeugen uns gewiß vor dieser Ära“, bekennt der Trommler, beteuert jedoch, daß es „nicht um bloße Reproduktion“ gehe. Was man allein schon deshalb gerne glauben darf, weil das Sextett mit Jim Mathus, Tom Maxwell und Ken Mosher gleich drei pfiffige Songwriter an Bord hat, die mit Lust und Kenntnis im großen Südstaaten-Fundus des musikalischen Storytelling wühlen. Devise: „Je furchterregender, desto besser.“ Und dabei den Humor nicht vergessen!
Die neue Aufmerksamkeit für die alte Hot-Szenerie eröffnete den Ztppers nicht zuletzt die Möglichkeit, einige ihrer alten Heroen persönlich kennenzulernen. Mit Al Casey beispielsweise, dem ehemaligen Gitarristen von Fats Waller, spielten sie einige Shows gemeinsam. Phillips: „Ich denke, sie finden es aufregend, daß wir es aufregend finden, eine Musik zu spielen, die sie mal an den Start gebracht haben. Zuerst dachten sie hin und wieder schon, wir seien nur ein paar schlecht spielende motherfucker. Aber nach ein paar Gläschen Wein und ein paar schmutzigen Witzen verstanden wir uns bestens.“
Und wie verstehen die Europäer diesen scheinbar genuin amerikanischen Artikel? Den ersten Trip in die alte Welt hat die Band gerade ziemlich aufgeregt, aber mit Anstand hinter sich gebracht. „Das Publikum in Europa versucht noch herauszufinden, was da verdammt noch mal eigentlich vor sich geht. Aber am Ende der Shows hatten wir die Leute jedesmal so weit rumgekriegt, daß sie zumindest ein bißchen davon mochten. Uns war von vornherein klar, daß wir hier noch nicht die große Nummer sind.“ – Was sich, siehe USA, schlagartig ändern kann.