Von Vetternwirtschaft keine Spur: Ihr Debüt schuf EMMA TOWNSHEND im Alleingang
Charakter, so scheint es, liegt in der Familie. Vor 10 Jahren, Emma war gerade erst 18 geworden, offerierte ihr eine große Firma einen Plattenvertrag. Für jedes andere Mädchen mit Talent wäre das der „Big Deal“ gewesen, die Erfüllung der kühnsten Träume. Emma jedoch lehnte ab. Statt dessen vertiefte sie sich wieder in ihr Studium der Wissenschaftsgeschichte und hielt Vorlesungen in Cambridge und London. „Mal ehrlich: Hätte ich damals angenommen, wäre ich sicher gekreuzigt worden. ‚Vetternwirtschaft‘, hättet ihr gebrüllt – und das war es nicht wert“, sagt sie – zu Recht. Davon abgehalten, ihr Glück als Musikerin trotzdem zu versuchen, hat es sie jedoch nicht: Ihre Debüt-LP „Winterland“ erscheint in diesen lagen.
„Inzwischen bin ich darüber hinweg, daß mein Vater Pete Townshend heißt. Nach meinem Studium stand ich vor der Entscheidung, in einem langweiligen Uni-Job zu versauern oder etwas wirklich Aufregendes zu tun“, erklärt Emma Townshend und darf sich darüber freuen, daß sie von ihrem Dad zwar das Talent für Musik, nicht aber die markante Nase geerbt hat. Neugierige Fragen nach ihrer Jugend als Rockstar-Tochter fegt sie charmant vom Tisch: „Neulich traf ich mal den Sohn von Stephen Stills, der mir die Ohren vollheulte, daß er als Kind morgens ständig zwischen bekifften und volltrunkenen Musikergestalten aufgewacht ist. Ich war ein bißchen neidisch, da es so etwas bei uns nicht gab. Denn meine Kindheit war wahrscheinlich normaler als normal.“
Wie gemein. Da hat man schon einen berühmten Daddy, doch dann läßt der all die Exzesse vor der Tür. Nein, Disziplin war angesagt im Hause Townshend, aus Emma sollte ja mal was werden. Doch die wollte von den elterlich verordneten Klavierstunden zunächst überhaupt nichts wissen. Wo die „abstrakten Stücke“ ihrer frühen Kindheit Papa Pete doch so viel Freude bereitet hatten.
Ein paar Jahre Uni aber reichten, um den Generationskonflikt zu beenden. Das Unvermeidliche trat ein: Emma entdeckte ihre musikalische Ader. Da ein Album aufzunehmen jedoch nicht aufregend genug schien, produzierte sie ihren Erstling kurzentschlossen selbst mittels eines mobilen 12-Spur-Studios daheim in ihrem Wohnzimmer. „Ich liebe die alte Röhrentechnik. Stundenlang hockte ich über analogen Instrumenten und suchte nach so atmosphärischen Elementen wie schlecht gespielten Violinen oder Akkordeons. Nur meinen Gesang nahm ich mit digitaler Technik auf, um einen Kontrast zu den antiquierten Sounds zu schaffen.“
Das Ergebnis läßt sich hören. Mit glockenheller Stimme singt Emma Townshend von Lust, Frust oder Liebe – und schafft es, eigenständige Räumlichkeit zu entwickeln, Intensität erzeugt sie durch kunstvolle Distanz statt emotionale Haudraufgebärden – ein ähnlicher Effekt wie bei Tori Amos „Little Earthquakes“.
„Es ist lustig, wie viele Leute mich auf Tori ansprechen, dabei kenne ich ihre Musik fast gar nicht“, lacht sie so offenherzig, daß sie es nur ernst meinen kann. Nein, ihre Einflüsse, gibt sie zu Protokoll, waren da eher De John, Randy Newman und Tom Waits, Leute, die „eine ganze Welt in einem einzigen Song erschaffen können“. Und Pete? „Mein Vater ist ja berühmt für grandiose Rock-Statements und die Behauptung, daß Pop Kunst sein kann. Ich denke, damit kann ich mich identifizieren.“