Message im Mainstream
Eigentlich wollte Rob Thomas ja ein seriöser Schriftsteller werden, doch „dummerweise hatte ich nie diese Geduld, mich an die Schreibmaschine zu setzen und eine Short-Story oder sogar einen Roman zu Papier zu bringen. Also hab ich’s irgendwann mal mit Songschreiben versucht.“ Das Ergebnis dieser Notlösung ist eine Gruppe, die sich mit ihrem Album „Yourself Or Someone Like You“ seit diversen Monaten in den US-Charts eingenistet hat, die von den Lesern des amerikanischen ROLLING STONE als die „Best New Band“ des Jahres 1997 geadelt wurde – und gleichzeitig mit Mainstream-kompatiblen „crossover“-Kandidaten wie Live, Hootie & the Blowfish oder den Counting Crows bereits in einem Atemzug genannt wird.
Ebenso bemerkenswert auch, daß die Hoffnungs- und (potentiellen) Umsatzträger gegenüber verbalem Vorschuß-Lorbeer offensichtlich erstaunlich immun und resistent sind: „Neulich meinte einer dieser journalistischen Schlaumeier doch tatsächlich: ,Hey, irgendwie klingt Ihr verdächtig wie die Counting Crows. Oder solltet Ihr Euch vielleicht als Collective Soul getarnt haben?‘ Mein Gott, wie witzig! Vielleicht sollte ich wirklich mal einen Song mit dem Titel ,Counting-Live-Hootie‘ schreiben; auf einer Fan-Page im Internet machte nämlich jemand genau diesen Vorschlag.“
Die offenkundige Affinität seiner Band zu prominenten Genre-Kollegen wischt Thomas mit einem überzeugenden Lachen vom Tisch. „Zugegeben, Adam Duritz und ich sind gute Freunde. Wir haben sogar die gleiche Meinung, was einen gelungenen Song ausmacht – und was nicht. Ist es denn ein Wunder, daß sich da zwangsläufig Parallelen ergeben? Ist es nicht völlig natürlich? Was ist daran aussetzen? Und warum in aller Welt sollte mich diese kleinkarierte Miesmacherei stören?“
Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg, lehrt uns der unfehlbare Volksmund. Wer seine – von Kleinstadt und College inspirierte – Alltags-Poesie so pointiert aus dem Ärmel schüttelt, wer so perfekt und professionell die Balance zwischen Beiläufigkeit und Botschaft trifft, darf sich gerne erlauben, über quengelnde Plagiat-Spione müde zu lächeln.
Thomas gelingt es jedenfalls, seine – manchmal ironisch-distanzierten, machmal unreflektiett-pathetischen – Betrachtungen der täglichen Tristesse in so unwiderstehliche Arrangements zu verpacken, daß sich an „Yourself Or Someone Like You“ und seinem ansteckenden Optimismus selbst misanthropische Kritiker die Zähne ausbeißen – eine emotionale Qualität mithin, die das Quintett aus Orlando von einem Adam Duritz oder Ed Kowalczyk unterscheidet, die ihre zentnerschweren Depressions-Pakete ebenso gern wie großzügig auf uns abladen.
Bei Matchbox 20 gibt es folglich nur die halbe Portion Sorgenfalten auf der Stirn, dafür aber jede Menge stimmungsvoller Songs aus dem Zentrum von God’s own country -Songs, die sich zunächst vielleicht noch vordergründig anbiedern, um einem dann von hinten mit kalten Fingern auf die Schulter zu tippen. Man spürt das Kalkül, doch kann die Kreativität nicht leugnen.
Vielleicht hätte Rob Thomas ja doch lieber professioneller Schriftsteller werden sollen. In der Kunst des kreativen Gefühls-Kitzels ist dieser Bursche jedenfalls jetzt schon ein Meister.