Mit dem Buy British-Hype und der Presseschlacht Blur vs. Oasis klotze sich Britpop gegen Grunge in die Charts zurück
Herbst 1995 – und jenseits des Kanals tobte die Schlacht um England. Das Duell der Giganten, die „Battle of the Bands“, angestachelt und befeuert durch eine der geschicktesten Medienkampagnen seit jener Mobilmachung Athens gegen die Perser. Blur vs. Oasis, middle class vs. working class, „The Great Escape“ vs. „(What’s The Story) Morning Gory?“, Damon Albarn vs. Noel Gallagher oder Liam oder beide zusammen – niemals zuvor und auch nicht bei Stones vs. Beatles ist Musik derart über die Headlines der Yellow Press vermarktet worden. Blur errangen einen kurzen Zwischensieg, Oasis holten Luft und zogen durch und vorbei und sind seither unangefochten lonely at the top und auf einem anderen Planeten. Daß sie ganz nebenbei mögliche und unmögliche Rekorde brachen (das bestverkaufte UK-Album aller Zeiten! 250000 Konzettbesucher in Knebworth! 38 verbürgte Split-Drohungen!), machte ihre Musik nicht schlechter.
Und England ist stolz. Stolz auf seine Lids, stolz auf die Musik und ihre bar brawls, stolz auf den kaum meßbaren Terraingewinn in der Dauerfehde mit den Yanks. Das nationale Protzen mit den potenten Rekorden von Oasis, das von Tony Blair bis zum Plattenverkäufer auf den Camden Markets jeder Insulaner betreibt, ist die unausweichliche Konsequenz aller Britpop-Intention, die sich einen Feldzug gegen den bösen, unharmonischen Grunge auf die Banner geschrieben hatte (und dazu sogar mit Royal Air Force-Logo und „Buy British!“-Slogan warb). Wenn das schicksalhafte Versagen der elf anderen Nationalhelden dem Fußball die Heimkehr ins Mutterland schon vermasselt hat – dem Britpop ist eine Rehabilitierung gründlich gelungen: Pop’s Coming Home.
Deshalb war Britpop auch nie feinnervig. Deshalb machte Britpop auch nie einen Hehl daraus, zielgerichtet in die konservierten Ruinenfelder der Sechziger und Siebziger vorzustoßen und dort nach brauchbaren Versatzstücken zu gründein. Britpop war immer eine Frage der Ehre. Britpop was build to be BIG. So groß, daß Blur wie Versager aussahen, obgleich „The Great Escape“ millionenfach verkauft wurde (aber eben weniger als „Morning Glory“), und nun „Be Here Now“ Schatten wirft, die den Rest der Szene in – temporäre – Düsternis hüllen.
Wer spricht noch von Pulp, deren Jarvis Cocker mit der Idealisierung dieser working class heroes wenig anfangen konnte und sich Metaphern schmiedend in,y4 EHfferent Class“ um „Common People“ kümmerte? Oder Ocean Colour Scene, die nach anderthalb Alben so eingeschüchtert scheinen, daß ihre neue Platte „Marchin‘ Already“ wie eine „Kuschelrock“-Compilation klingt? Supergrass mit ihrer Happy-go-lucky-Attitüde sollten „The next big thing“ sein – da müßte man Oasis zuerst zwangsauflösen oder Patsy Kensit eine Yoko Ono-Biographie schenken. Kula Shaker sind auf dem Indien-Trip und dabei gar in Goa 20 Jahre zu spät. Bloß Hurricane#1 werden sogar von Noel geliebt – was immer das heißt.
Selbst eine emsig herbeiorakelte Revanche platzte: Blur vs. Oasis II fiel schon darum aus, weil Blur ihr bescheiden „Blur“ betiteltes Album Monate vor „Be Here Now“ veröffentlichten und selbstgewählt dem Alternative Rock entgegenschrumpften. „Song 2“ heißt es da, obgleich ein veritabler Kracher. Oasis hingegen donnerten den Erscheinungstag der neuen Platte mit einer Vehemenz ins kollektive britische Bewußtsein, daß jeder glauben mochte, am 21. August 1997 habe der Urknall der Popmusik stattgefunden. Oasis und vorher nur Ursuppe.
Derweil schlichen Radiohead mit „OK Computer“ in die Charts. Die hymnischen Elegien waren in ihrer Neurotik der einzige große Gegenentwurf zu dem Britpop-Glamour und Oasis‘ proletarischem Sentiment.